Wir gehen in unseren Praxisprojekten von der These aus, dass die Lernwelt ein Spiegelbild der Arbeitswelt sein muss, besser noch, die Entwicklungen in der Arbeitswelt vorwegnimmt. Wenn die Arbeitswelt zunehmend agil wird, dann muss somit auch die Lernwelt agil werden. Was bedeutet dies aber konkret?
Agilität ist mehr als nur eine Ansammlung von Methoden. Im Kern geht es viel mehr um eine Haltung bzw. ein Mindset welches durch agile Praktiken unterstützt und gefördert wird. Agilität basiert damit auf einem Gerüst an interiorisierten, agilen Werten, die wiederum erst den Kompetenzaufbau ermöglichen.Agile Mitarbeiterentwicklung hat somit zum Ziel, es den Mitarbeitern zu ermöglichen, selbstorganisiert die Werte und Kompetenz aufzubauen, um sich kontinuierlich an seine komplexe, turbulente und unsichere Zukunft anzupassen.
Diese Fähigkeiten können nicht in tradierten LEHRsystemen, z.B. in Seminaren oder Workshops „vermittelt“ werden, auch wenn diese immer wieder behauptet wird. Die Kompetenzforschung zeigt uns klar auf, dass diese Kompetenzen und die erforderlichen Werte nur bei der Bewältigung von realen Herausforderungen in agilen Arbeitsprozessen selbstorganisiert durch die Mitarbeiter aufgebaut werden können (vgl. Erpenbeck et. al. 2017, Reinmann 2017). Wir bevorzugen in diesem Zusammenhang den Begriff „Entwicklung“, weil er im Gegensatz zum „Lernen“ den ganzen Menschen in seinem Fühlen, Denken und Handeln umfasst und sich nicht nur auf Fachziele oder –inhalte bezieht. Diese Mitarbeiterentwicklung zielt damit auf den selbstorganisierten Aufbau von agilen Kompetenzen.
Die Prinzipien agiler Entwicklungsmethoden können damit direkt aus den agilen Arbeitsmethoden abgeleitet werden.
Elemente agilen Arbeitens | Elemente agiler Entwicklung |
Neue Werte der agile Mindset und die agile Pyramide, bilden das Fundament: · Nachhaltigkeit · Mut · Respekt · Offenheit und Transparenz · Commitment und Selbstverpflichtung · Veränderungsbereitschaft |
Werte- und Kompetenzziele · Strategische Ziele als Rahmen des Handelns · Mission der Werte als angestrebte Handlungsanker · Eigenverantwortliche Definition der individuellen Werte- und Kompetenzziele durch die Mitarbeiter und Teams · Personalisierte und kollaborative Entwicklung im Prozess agiler Arbeit · Regelmäßige Darstellung und Bewertung der Projekt-Zwischenstände; bei Bedarf Anpassung der Werte- und Kompetenzziele · Dynamische Lernprozessgestaltung auf Basis laufender Rückmeldungen und Reflexionen |
Innovationskultur Kultur des Scheiterns und Teamarbeit
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Agile Entwicklungskultur Übertragung herausfordernder Arbeitsaufgaben und Projekte mit hoher Fehlertoleranz auf die Mitarbeiter. Die Bearbeitung dieser Herausforderungen wird durch folgende Werte bestimmt: · Mut: Bereitschaft, Entscheidungen zu treffen und neue Wege selbstorganisiert zu gehen. · Fokus: Konzentration auf die vereinbarten Praxisaufgaben und -projekte, um zielorientiert und kreativ zu arbeiten und zu lernen. · Comittment: Im Rahmen verbindlicher Vereinbarungen Verantwortung übernehmen. · Respekt: Die Mitarbeiter achten ihre Entwicklungspartner und betrachten sie als gleichwertig; sie gehen auf Augenhöhe miteinander um. · Offenheit: Bereitschaft, auf Veränderungen zu reagieren, sich mit Entwicklungspartnern offen auszutauschen und sein eigenes Wissen zu teilen. · Wertschätzung: Jeder Mitarbeiter gibt sein Bestes im Sinne des Teams und der Organisation und gibt wertschätzendes Feedback. · Vertrauen: Jedem Mitarbeiter wird grundsätzlich Vertrauen entgegengebracht. |
Autonomie
· Dezentrale Entscheidungskompetenz · Transparenz · Selbstmanagement · Zusammenarbeit in Netzwerken · Pull and Flow
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Selbstorganisierte, agile Mitarbeiterentwicklung
· Konsequenter Fokus auf die Mitarbeiter: Das Lernsystem passt sich den Lernern an. · Jeder Mitarbeiter ist für seinen Entwicklungserfolg selbst verantwortlich · Der Prozessbegleiter (Scrum Master) moderiert die Workshops und coacht die selbstorganisierten, personalisierten Entwicklungsprozesse. · Der Bildungsbereich (Werte- und Kompetenzmanagement) gestaltet den Ermöglichungsrahmen und koordiniert als Change-Verantwortlicher die ganzheitliche und nachhaltige Transformation der Entwicklungsergebnisse in die Organisation. · Eigenverantwortliche Festlegung von Werte- und Kompetenzzielen durch die Mitarbeiter auf Basis der entsprechenden Messungen mit Beratung des Prozessbegleiters. · Die Führungskraft (Product Owner) initiiert die Entwicklung der gemeinsamen Vision, priorisiert die Aufgaben und steht als Mentor oder Coach zur Verfügung. Ihr Führungshandeln ist inspirierend-sinnstiftend, authentisch, vertrauensvoll und kompetenzfördernd. · Vereinbarung von heraufordernden Aufgaben mit der Führungskraft oder im Team, die nach dem Pull-Prinzip flexibel bearbeitet werden. · Die Mitarbeiter planen und gestalten ihre personalisierten Entwicklungsprozesse in Abstimmung mit der Führungskraft und ihrem Team selbst. · Die Prozesse zur Bewältigung der Herausforderungen erfolgen in kollaborativer Form mit Entwicklungspartnern und –gruppen (Umsetzungsteams) unter Beachtung der DoD – Definition of Done · Iterative Entwicklung von Lösungen in Design Thinking oder Lean Start-up Prozessen: Verstehen, Beobachten, Synthese, Ideen entwickeln, Prototyp erstellen und Testen · Die Mitarbeiter kommunizieren offen und direkt ohne Rücksicht auf Rang, Hierarchie und Formalismus. · Die Mitarbeiter tauschen ihr Erfahrungswissen, auch im Netz, laufend aus und entwickeln es gemeinsam weiter (Kompetenzorientiertes Wissensmanagement) · Kontinuierliche Reflexion und laufende Anpassung der Entwicklungsschritte in agilen Prozessen im Team |
Wertschöpfung
Frühzeitige Lieferung eines Geschäftswertes |
Agiler Aufbau von Kompetenzen und Performanz durch · eine gemeinsame Entwicklungsvision im Team, · kontinuierliche Entwicklung bei der Bewältigung realer Herausforderungen · Visualisierung aller relevanten Informationen · Frontloading, d. h. gemeinsame, verbindliche Planung der nächsten Sprints · Timeboxing, das über enge Zeitvorgaben die Zielfokussierung fördert · Sprint-Iteration, bei der durch Zyklisierung die Entwicklungsprozesse regelmäßig verinnerlicht werden · Priorisierung durch regelmäßige Überprüfung der Entwicklungsprozesse im Team · Backlog, indem das Team die Entwicklungspakete konsequent abarbeitet · kompetenzorientiertes Wissensmanagement über die Weitergabe und gemeinsame Weiterentwicklung des eigenen Wissens · Erfolgsmessung anhand der erreichten Performanz · lebenlanges Lernen im Prozess der Arbeit und im Netz |
Mitarbeitermotivation · Eigenverantwortung, · Kundenorientierung, · kontinuierliche Verbesserung · Autonomie · Sinn · Können
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Entwicklungsmotivation · Die Anforderungen an die Mitarbeiterentwicklung und der Sinn der Aufgaben werden mittels User Stories dargestellt, in denen auch die Akzeptanzkriterien definiert werden · Abholung beim Stand der aktuellen Bedürfnisse und dem Entwicklungsstand des Mitarbeiters sowie die eigenverantwortliche Definition der Werte- und Kompetenzziele · Selbstorganisierte, personalisierte Bewältigung aktueller Herausforderungen im Arbeitsprozess · regelmäßige Reflexion und Feedback · soziale Entwicklungsprozesse durch Co-Coaching und Coaching |
Lösung komplexer Herausforderungen Schnell und flexibel im Team auf komplexe Probleme reagieren
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Bearbeitung schwieriger Praxisaufgaben und –projekte · Schnell und flexibel im Team auf Herausforderungen reagieren · Planning: Die Entwicklung der Lösungen wird durch eine hohe Planungsdisziplin geprägt |
Qualitätsverbesserung
Agile Teams liefern konstant hohe Qualität
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Abgestimmter, zielorientierter Werte- und Kompetenzaufbau und Performanz-Entwicklung
· Agile Lerner entwickeln ihre Werte- und Kompetenzen in Hinblick auf ihre individuellen Performanzziele · Daily Stand-up, in dem das Team sich synchronisiert und relevante Informationen austauscht · Retrospektive, d. .h. die Mitarbeiter reflektieren regelmäßig ihre Entwicklungsschritte und ihre Zusammenarbeit im Team · Review, d. h. nach den einzelnen Sprints stellen die Mitarbeiter im Team ihre Lösungen zur Diskussion |
Effektivitäts- und Effizienzsteigerung · Arbeiten an den richtigen Dingen · Fokussierung |
Steigerung der Entwicklungseffizienz
· Vereinbarung geeigneter Arbeitsaufgaben oder Projekte im Team oder mit der Führungskraft auf Basis der Werte- und Kompetenzmessungen · Fokussierte Bearbeitung dieser Herausforderungen |
Prototyping · Schnell sichtbare Ergebnisse · prototypisches Testen von Ideen und Konzepten · Einholen von Feedback |
Pilotprojekte · Schnell sichtbare Ergebnisse und Erfahrungen im Rahmen von Praxis- und Projektaufgaben · Überprüfung bzw. Anwendung von entwickelten Lösungen und Methoden · Laufendes Feedback durch Anwender, Experten und Entwicklungspartner
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Selbstorganisiertes Arbeiten · Der Prozess zur Entwicklung von Lösungen erfolgt selbstorganisiert · Maker Movement · Do-it-yourself-Kultur mit dem Einsatz digitaler Technik |
Selbstorganisierte Entwicklung · Die personalisierte Entwicklungsplanung und die Bearbeitung der Herausforderungen erfolgt selbstorganisiert durch die Mitarbeiter · Sie legen in Abstimmung mit dem Team oder einer Führungskraft Ziele und Inhalte, aber auch Lern- und Sozialformen, Medien und Zeiten sowie Lernorte selbst fest. · Sie nutzen die digitale Technik, die in agilen Arbeitsformen eingesetzt wird, um ihre Entwicklungsprozesse zu optimieren. |
Im nächsten Schritt ist zu untersuchen, wie die agile Methoden, wie z. B. Scrum, Design Thinking odr Kanban, in die Entwicklungsprozesse der Mitarbeiter integriert werden können.