Bildungsmanagement – den Wandel gestalten

Die Anforderungen an Bildungsorganisationen werden sich in den kommenden Jahren aufgrund veränderter Anforderungen und Rahmenbedingungen, z.B. der Entwicklung zur Enterprise 2.0 bzw. zum Social Business, aber auch der grundlegend weiter entwickelten Lerntechnologien, dramatisch verändern. Was bedeutet dies für das Management und die Führung von Bildungsorganisationen, welche Erfolgspotenziale können aufgebaut werden, wie sehen die zukünftigen Leistungen von Bildungsanbietern aus und wie können sie am Markt positioniert werden?

Diesen existenziellen Fragen geht das neue Fachbuch  „Bildungsmanagement“ (Schäfer Poeschel Verlag Stuttgart 2013) von Sabine Seufert, Professorin für Wirtschaftspädagogik an der Universität St. Gallen, Direktorin des dortigen Instituts für Wirtschaftspädagogik (IWP-HSG) sowie Geschäftsführerin des Swiss Centre for Innovations in Learning (scil), in einer fundierten Analyse nach. Bildungsmanagement versteht sie dabei als ein Gebiet der Wirtschaftspädagogik, das Bildungsprozesse als Dienstleistung und Managementaufgabe betrachtet. Damit bewegt sich dieses Werk im Spannungsfeld zwischen Pädagogik, Psychologie und Betriebswirtschaftslehre. Die Autorin richtet sich mit ihrem Buch an alle Bildungsanbieter, von der Schule über die Hochschule und Erwachsenenbildung bis zur betrieblichen Aus- und Weiterbildung. Sie will dazu beitragen, dass diese ihre strategischen und organisatorischen Herausforderungen proaktiv aufgreifen und dabei die pädagogischen und ökonomischen Herausforderungen angemessen ausbalancieren. Gleichzeitig hat sie den Anspruch, ein Lehrbuch für Studierende der Wirtschaftspädagogik und Betriebswirtschaftslehre anzubieten.

Die Herausforderungen für das zukünftige Bildungsmanagement liegen darin, die grundlegenden Veränderungen in Gesellschaft und Unternehmen mit voraussichtlich immer knapper werdenden Ressourcen zu bewältigen. Besondere Bedeutung hat hierbei die Entwicklung zu selbstorganisierten Lernprozessen. Deshalb kann Bildung nicht im engen Sinn „gemanagt“ werden, vielmehr geht es darum, individuelle Lernprozesse im Rahmen gemeinsamer Ziele zu ermöglichen. Es soll also weniger ein Anpassungs- als ein Gestaltungsansatz eines proaktiven Bildungsmanagements gestaltet werden. Bildungsmanagement ist als Teilgebiet der Wirtschaftspädagogik ein noch relativ junges Handlungsfeld. Es ist dabei grundsätzlich für alle Anbieter von Dienstleistungen im Kontext der Bildung relevant.

Bildung wird von Seufert dabei nach Euler und Hahn (2007) als die Fähigkeit und Bereitschaft (Kompetenz) des Individuums zur eigen- und sozialverantwortlichen Bewältigung sozioökonomischer Lebenssituationen verstanden.

Bildungsmanagement umfasst damit nach Ulrich (2004) die Gestaltung, Steuerung und Entwicklung von sozialen Systemen, die dem Zweck der Bildung von Menschen im Spannungsfeld betriebswirtschaftlicher und pädagogischer Ziele dienen.

Die Dienstleistungen, die das Bildungsmanagement zu erbringen hat, weisen dabei folgende Besonderheiten auf: Bildungsdienstleistungen

  • sind immateriell, können also weder gelagert noch transportiert werden,
  • sind nur erfolgreich, wenn der Lernende sich die Bildung selbst in einem Bildungsprozess aneignet,
  • können nur eingeschränkt standardisiert werden.

Die Autorin konzentriert sich in ihrem Werk auf die Dienstleistungen im Fokus des Bildungsmanagement mit dem Ziel, bedarfsgerechte Gestaltungslösungen zu entwickeln. Als Basis nutzt sie das St. Gallener Management Modell, das die systematischen Zusammenhänge der jeweiligen Handlungsfelder aufzeigen und eine zukunftsorientierte Weiterentwicklung der Bildungsorganisationen ermöglichen soll. Sie strebt dabei eine proaktive Gestaltung der Bildungsaktivitäten an, die die Bildungsorganisation in ihrer Gesamtheit und in der Interaktion mit ihrer Umwelt sowie den Anspruchsgruppen erfasst.

Seufert strebt eine mehrdimensionale Betrachtungsweise an, bei der normative, strategische und operative Fragestellungen als Sinnhorizont, Definitionen der relevanten Gestaltungsbereiche sowie die Schwerpunkte bei der Entwicklung und Optimierung bis zum bewussten Umgang mit Innovationen und Veränderungen mit einbezogen werden. Daraus leiten sich die Themenschwerpunkte des Werkes ab:

  • Sinnhorizonte: Normative Orientierung der Bildungsorganisationen, Leitlinien für das Handeln der Bildungsverantwortlichen
  • Gestaltungsfelder: Arrangement lernförderlicher Rahmenbedingungen auf organisationaler Ebene, Entwicklung von Bildungsprogrammen auf Teamebene, individuelles Lernen der Learning Professionals, d.h. der Bildungsverantwortlichen
  • Entwicklungsmodell: Balance von Optimierung und Erneuerung

Die Autorin führt zunächst in die Grundlagen des Bildungsmanagements ein. Dabei spannt sie den Bogen vom Bildungs- und Managementverständnis bis zu den Erscheinungsformen, Herausforderungen und Handlungsfeldern des Bildungsmanagements. Danach leitet sie ausführlich die Handlungsfelder des Bildungsmanagements nach dem St. Gallener Management-Modell (SGMM) ab:

  • Normativ: Warum und wozu handeln wir in einer Bildungsorganisation? Den Schwerpunkt bildet hierbei das Leitbild der lernenden Organisation und daraus abgeleitet der Paradigmenwechsel für das Lernen, aus dem sich wiederum veränderte Rollenbilder für die einzelnen Akteure ergeben.
  • Strategisch: Machen wir die „richtigen Dinge“, handeln wir effektiv? Damit stehen die Fragen der Interaktion mit internen und externen Anspruchsgruppen im Vordergrund. Dabei rücken die Fragen des Programm-Portfolios, der Positionierung gegenüber den Mitbewerbern auf dem Bildungsmarkt der internen Wertschöpfungsprozesse sowie der Sicherung der ökonomischen Tragfähigkeit in den Mittelpunkt. Diese Elemente eines Geschäftsmodells skizzieren die grundsätzlichen Funktionsweisen und das Optionsspektrum von Bildungsorganisationen mit dem Ziel, die normativen Vorstellungen der Bildungsorganisation umzusetzen. Hinzu kommt die Definition der strategischen Handlungsfelder der Bildungsorganisation.
  • Operativ: Machen wir die „Dinge richtig“, effizient? Wie kann die Wertschöpfungskette einer Bildungsorganisation präzisiert und konkret in Prozesse überführt werden? Wie können die Learning Professionals Projekte im Team einer lerndenden Organisation planen, durchführen und evaluieren? Wie kann mit Hilfe der Balanced Scorecard ein integrativer Ansatz zur operativen Umsetzung der Strategie aussehen?

Danach erörtert sie die Sinnhorizonte normativen, strategischen und operativen Bildungsmanagements. Den Schwerpunkt bilden dabei die Gestaltungsebenen:

  • Auf der Makroebene werden die Rahmenbedingungen der Organisation für Kompetenzentwicklung und Lernen erörtert. Sie analysiert die zentralen Ausgangspunkte für eine Struktur- und Kulturgestaltung in Bildungsorganisationen und unterscheidet die organisationsspezifischen Besonderheiten in den unterschiedlichen Bildungsbereichen Schule, Hochschule und Betriebe. Wie kann die Bildungsorganisation als lernende Organisation ihre Entwicklungsfähigkeit steigern? Wie können die Strukturen des Lernens weiter entwickelt werden? Darauf folgt eine Analyse der Kulturen, in denen Lernen stattfindet, und deren Veränderungsprozesse. Sie leitet daraus Maßnahmen ab, mit denen Strukturen und Kulturen so verändert werden können, so dass lernförderliche Rahmenbedingungen entstehen.
  • Auf der Mesoebene werden Fragen zur Gestaltung von Bildungsprogrammen im Team beleuchtet. Die Autorin erklärt die grundlegende Vorgehensweise, um strukturelle Konzepte und Prozesse sowie Kommuniktionsaufgaben für das Management von Bildungsprogrammen zu entwickeln. Sie erarbeitet grundsätzliche Ausgangspunkte für das Management von Bildungsprogrammen sowie Struktur-, Prozess- und Kommunikationsmodelle für Bildungsorganisationen. Hierbei spannt sie den Bogen von produktorientierten Curricula bis zu gestaltungsoffenen Modellen, z.B. der Kompetenzentwicklung in Verbindung mit Inhalten, die stärker auf Erfahrungswissen und Wissen, das im jeweiligen Handlungskontext neu generiert wird, basieren. Dabei wird der Bezug zu Ansätzen des Wissensmanagements deutlich. Ausführlich stellt sie dar, wie Bildungsprogramme auf der Grundlage von Prozessmodellen, die auf dem Gedanken einer didaktischen Wertschöpfungskette basieren, erarbeitet werden können.
  • Auf der Mikroebene werden die Verbindungen zur Ebene der Lerner hergestellt. Den Schwerpunkt bildet dabei die Kompetenzentwicklung der Learning Professionals, also des heutigen Bildungspersonals, als integraler Bestandteil der Entwicklungsprozesse in den Bildungsorganisationen. Sie zeigt auf, dass die Entwicklungsfähigkeit einer Bildungsorganisation zentral von der Lern- und Entwicklungsfähigkeit dieser Individuen abhängt. Im einzelnen beleuchtet Seufert dabei die Kompetenzentwicklung des schulischen und des betrieblichen Bildungspersonals, aber auch der Führungskräfte als Lernunterstützer und Entwicklungspartner der Mitarbeiter.

Zuletzt zeigt Sabine Seufert die Entwicklungsmodi einer Bildungsorganisation auf, indem sie Qualitätsmanagement sowie Innovations- und Change Management als Entwicklungsaufgaben aufbereitet. Das Ziel ist dabei, kontinuierliche Verbesserungs- und Innovationsprozesse in Bildungsorganisationen im Spannungsfeld zwischen Stabilisierung bwz. Optimierung sowie Erneuerung zu gestalten. Es geht also um die kontiuierliche Verbesserung des Bestehenden, die Implementierung von Neuem sowie die Begleitung von Veränderungen.

Das Werk von Sabine Seufert zeichnet sich durch eine enorme Breite, aber auch Tiefe, der dargestellten Handlungsfelder im Bildungsmanagement aus. Dabei verknüpft sie pädagogische und betriebswirtschaftliche Aspekte in sehr verständlicher Weise. Hinzu kommt, dass sie in ihrem Werk die aktuellen Entwicklungen und Trends in der betrieblichen Bildung, auch international, aufgreift und in ihre Überlegungen integriert. Sie bietet den Studierenden damit eine hervorragende und umfassende Darstellung aller Facetten des modernen Bildungsmanagements, die zudem mit Lernzielen und Leitfragen, Marginalien, Abbildungen, Definitionen, Sachwortregistern, Literaturverzeichnis und Zusammenfassungen methodisch vorbildlich aufbereitet sind. Sehr wertvoll sind die vielfältigen Fallstudien, die es den Studierenden ermöglichen, die Umsetzung in der Praxis nachzuvollziehen.

Auch für den Bildungspraktikern von der Schule über die Hochschule und Erwachsenenbildung bis zur betrieblichen Aus- und Weiterbildung bietet das Werk eine wertvolle Basis zur Reflexion ihres aktuellen Handelns und zur Entwicklung erster Entwicklungsskizzen für ihr Bildungsmanagements. Diese Bewertung wird auch nicht dadurch eingeschränkt, dass die Stärke dieses Buches, die gesamte Breite der möglichen Handlungsansätze im Bildungsmanagement darzustellen und zu analysieren sowie Lösungsansätze aufzuzeigen, für den einzelnen Leser erschlagend wirken kann.

Insgesamt sehe ich das neue Fachbuch von Sabine Seufert als eine wertvolle Bereicherung der aktuellen Fachliteratur zum Bildungsmanagement in Schule, Hochschule, Weiterbildung und Betrieb an, das sich als Standardwerk etablieren wird.

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