Auf dem WissensTransferCamp 2014 am 7. und 8. März in Friedberg, das von Karlheinz Pape und seinem Team wieder perfekt organisiert war, konnte ich unseren Ansatz des Workplace Learning vorstellen. In unseren Diskussionen kamen wir dabei immer wieder auf die Frage, warum sich die Bildungsbereiche der Unternehmen häufig so ausdauernd gegen Veränderungen wehren. Die Argumente für Veränderungen sind eigentlich völlig klar und stichhaltig. Dies zeigte Simon Dückert am Beispiel des „New Way of Learning“ von adidas mit der vielzitierten 70:20:10-Regel sowie der Erkenntnis auf, dass 50% des in Seminar gehörten nach einer Stunde nicht mehr abrufbar ist. Trotzdem werden in den Unternehmen etwa 95 % der Lerninhalte über formelle Lernprozesse vermittelt, obwohl gerade mal 7 – 8 % des in Seminaren Gehörten in der Praxis umgesetzt wird.
Diethelm Wahl begründet diese nach wie vor vorherrschende Starrheit im Bildungsbereich mit den handlungssteuernden Prozessen und Strukturen der Verantwortlichen im Lernbereich, die sich meist über Jahrzehnte entwickelt haben. Wir haben alle seit unserer Kindheit Lernroutinen verinnerlicht, die unser Denken und Handeln prägen. Dies zeigt sich im Lernbereich besonders stark. Nur so ist zu erklären, dass die Effizienz klassischer Seminar nur selten hinterfragt wird, während innovative Lernformen immer wieder begründet werden müssen. Viele Bildungsverantwortliche scheinen „Gewohnheitstiere“ zu sein.
Veränderungsprozesse im Bildungsbereich erfordern deshalb den Abbau bisheriger Handlungsroutinen und den Aufbau neuer Handlungsmuster bei den Bildungsverantwortlichen in den Unternehmen. Handlungsroutinen sind aber biografisch entstanden und weisen eine ungewöhnliche hohe Stabilität auf. Werden Handlungsroutinen abgebaut, entsteht häufig Handlungsunsicherheit. Deshalb sollten diese Veränderungsprozesse nach folgendem Schema gestaltet werden (vgl. Wahl, D., 2013):
1. Schritt – Außer Kraft setzen: Die bisherigen Handlungsroutinen müssen zunächst abgebaut werden. Voraussetzung dafür ist, dass die Bildungsverantwortlichen ihr bestehendes Wissen über betriebliches Lernen laufend kritisch hinterfragen. Sie machen sich dabei in ihrem Team jeweils die komplexe und vernetzte Situation der betrieblichen Bildung bewusst, indem sie sich die verschiedenen Sichtweisen, die dabei aufeinander prallen, z. B. eines Mitarbeiters, einer Führungskraft, eines bisherigen Trainers, aber auch von Kunden oder Lieferanten durch einen Perspektivenwechsel verdeutlichen. Im Anschluss daran begeben sie sich auf eine Metaebene der Reflexion. Der Perspektivenwechsel ermöglicht es den Bildungsverantwortlichen aus Erfahrung zu lernen. Sie müssen regelmäßig mit den Wirkungen ihres Handelns konfrontiert werden und sich mit Rückmeldungen dazu auseinander setzen. Deshalb hat das Feedback zu ihrem realen Handeln, d.h. zu ihren tradierten „Lehr“konzepten eine zentrale Bedeutung.
2. Schritt – Umlernen: Handlungssteuernde Strukturen von Menschen sind außerordentlich stabil, da der Prozess des individuellen (Um-)Lernens sowohl gedankliche als auch gefühlsmäßige Vorgänge beinhaltet. Die Bildungsverantwortlichen müssen deshalb auf der Ebene des Planungshandelns ihre persönlichen Problemlösungsstrategien entwickeln und verinnerlichen, die ihnen helfen, auch künftig an sich selbst zu arbeiten und damit zum selbständigen Problemlöser zu werden. Dieses Lernarrangement ist so zu gestalten, dass ungünstige Rahmenbedingungen, berufliche Belastungen, nachlassende Motivation, menschliche Bequemlichkeit, mangelnde Akzeptanz bei Führungskräften und Kollegen, anfängliche Misserfolge, Überschätzung der eigenen Kräfte oder Unterschätzung der Schwierigkeiten die Lernprozesse im Bereich des Interaktionshandelns unterbrechen.
3. Schritt Verdichtung: Die im Netzwerk der Bildungsverantwortlichen entwickelten Problemlösungen für den eigenen Bildungsbereich werden verdichtet. Die Bildungsverantwortlichen setzen schrittweise – mit steigenden Schwierigkeitsgraden – das Erlernte in ihrer Praxis an. Dabei ist es besonders wichtig, dass sie in dieser Phase nicht allein gelassen werden und durch Lernpartner oder Experten Unterstützung erhalten.
Dieser Veränderungsprozess erfordert Zeit. Deshalb ist es notwendig, jetzt damit zu beginnen. Der Veränderungsdruck auf den Bildungsbereich der Unternehmen wird schneller wachsen, als es vielen Verantwortlichen dort heute klar ist.