Unsere Arbeitswelt, häufig mit dem Stichwort „4.0“ gekennzeichnet, wird sich auch im kommenden Jahr weiter dramatisch und mit zunehmender Dynamik wandeln. Keine technische Revolution hat die Arbeits- und Lernwelt so radikal verändert, wie Digitalisierung und Vernetzung. Disruptive Innovationen finden immer gehäufter statt; diese Innovationen verdrängen und zerstören erbarmungslos bisherige Technologien, Vertriebsmodelle und Märkte. Es entwickelt sich 2018 eine zunehmend agile Arbeitswelt, die grundlegend neue Handlungsweisen und Werte aller Mitarbeiter und somit immer mehr digitale Kompetenzen erfordert.
Der Wettbewerb wird 2018 immer mehr zu einem Kompetenzwettbewerb mit agilen Arbeits- und Lernmethoden. Die Geschäftsmodelle betrieblicher Bildung werden sich immer mehr auf die Entwicklung der Fähigkeiten hin entwickeln, in offenen, neuartigen Problemsituationen kreativ und selbstorganisiert zu handeln.
Die Unternehmen benötigen immer mehr Mitarbeiter, die auch zukünftige Herausforderungen in zunehmend digitalisierten, agilen Arbeitsprozessen im Rahmen selbstorganisierter, eigenverantwortlich handelnder Teams kompetent und kreativ lösen können. Dabei besitzen sie den Freiraum, innerhalb selbst definierter Regeln zu üben und zu experimentieren und ihr Erfahrungswissen in Netzwerken weiter zu entwickeln.
Corporate Learning wird trotzdem weiterhin durch fremdgesteuerte LEHRE mittels Curricula mit Wissens- und Qualifikationsziele, Seminaren und Trainings geprägt sein, jedoch mit etwas abnehmender Tendenz. LERNformate mit dem Ziel des selbstorganisierten Werte- und Kompetenzaufbaus mittels digital gestützter Lernsysteme gewinnen dagegen weiter deutlich an Bedeutung, da agile Arbeitsmethoden in der digitalen Arbeitswelt zunehmend digitale Kompetenzen erfordern. Dies sind Fähigkeiten, Herausforderungen in einer agilen Arbeitswelt mit Hilfe digitaler Systeme selbstorganisiert und kreativ lösen zu können.
Dabei gewinnen Werte und deren Management immer mehr an Bedeutung. Werte dienen in einer zunehmend digitalisierten Arbeitswelt als Handlungsanker für das agile Arbeiten, das immer höhere Anforderungen an die Selbstorganisationskompetenz der Mitarbeiter stellt. Erst durch verinnerlichte Werte ist kompetentes Handeln in der Industrie 4.0 möglich. Digitale Werte und Kompetenzen können dabei nicht vermittelt werden, sondern nur bei der Bewältigung realer, digitaler Herausforderungen in Projekten und in der Praxis selbstorganisiert durch die Lerner aufgebaut werden. Damit wird auch die Werte- und Kompetenzentwicklung agil, die heutige Personalentwicklung wird durch ein strategieorientiertes Werte- und Kompetenzmanagement abgelöst. Dies setzt wiederum ein System der Werte- und Kompetenzerfassung voraus, das eine hohe soziale Validität, also Akzeptanz bei den Mitarbeitern und Führungskräfte, aufweist.
Auch formelle E-Learning Formate mit dem Ziel des systematischen Wissensaufbaus und der Qualifikation werden tendenziell durch stark modularisierte und problemorientierte Web Based Trainings (Micro-Learning), die von den Mitarbeitern bei Bedarf aufgerufen werden, wenn sie Herausforderungen im Arbeitsprozess zu bewältigen haben (Workplace Learning), abgelöst. E-Learning wird immer mehr sozial, weil das kollaborative Arbeiten und Lernen im Netz immer wichtiger wird.
Der Lernerfolg wird wieder weniger durch Wissens- und Qualifikationstests und immer mehr an den Arbeits- oder Projektergebnissen (Performanz) gemessen. Trotzdem werden wir wohl noch jahrelang unsere Auszubildenden und Mitarbeiter bei ihrem „Bulimielernen“ unterstützen müssen, weil das Zertifizierungssystem, das durch DIHK, Handwerkskammern oder Ärzteverbände vorgegeben wird, viel zu viele Prüfungsinstitutionen und Verlage am Leben hält und deshalb extrem veränderungsresistent ist.
Werte- und Kompetenzentwicklung ist die betriebliche Bildung der Zukunft, da die Mitarbeiter sich heute auf Herausforderungen vorbereiten müssen, die gegenwärtig noch gar nicht existieren, auf die Nutzung von Technologien, die noch gar nicht entwickelt sind, um Probleme zu lösen, von denen wir heute noch nicht wissen, dass sie entstehen werden. Da dies mit dem tradierten Vorratslernen nicht zu leisten ist, ist ein Paradigmenwechsel in der betrieblichen Mitarbeiterentwicklung erforderlich.
Die Unternehmen benötigen ein Werte- und Kompetenzmanagement, das es den Mitarbeitern gezielt ermöglicht, die erforderlichen digitalen Kompetenzen selbstorganisiert und kreativ im Arbeitsprozess und im Netz aufzubauen. Dabei wachsen Arbeiten und Lernen zusammen. Dies setzt veränderte Arbeitsmethoden und Lernarrangements für personalisierte Kompetenzentwicklungs-Prozesse, eine Lern-infrastruktur für agiles Arbeiten und Lernen sowie ein Veränderungsmanagement mit dem Ziel der Selbstorganisation voraus. Die heute üblichen Learning Management Systeme müssen sich zu Ermöglichungsrahmen wandeln, die selbstorganisiertes Arbeiten und Lernen im Prozess der Arbeit möglich machen.
Leider werden die notwendigen Veränderungsprozesse im Corporate Learning von den Entscheidern nicht oder nicht rechtzeitig initiiert, weil deren Denken in Hinblick auf den Bildungsbereich häufig nach wie vor durch verkrustete Lernroutinen dominiert wird. Schließlich haben wir alle seit dem Kindergarten erfahren, dass Lernen immer mit Fremdsteuerung zu tun hat, sei es durch die Kindergärtnerin, dann durch den Lehrer oder den Professor.
Diesem reflexartigen Abgleiten auf Curricula, Seminaren oder Trainings unterliegen aber insbesondere auch viele Hochschulvertreter oder Experten renommierter Beratungsunternehmen, die trotz überzeugender Analysen der Konsequenzen der digitalen Revolution am Schluss kurioserweise wieder auf tradierte Lernangebote setzen. Es ist also auch 2018 weiterhin viel Überzeugungsarbeit zu leisten.