Jane Hart, die britische Bloggerin, hat in ihrem letzten Blog zehn Wege aufgezeigt, wie mit Sozialen Netzwerken in Unternehmen Social Learning ermöglicht werden kann. Sie plädiert dafür, für Arbeiten und Lernen die gleichen Tools zu nutzen: „work is learning and learning ist he work“. Dafür sind u.a. kollaboratives Arbeiten und Lernen im Netz(-werk) unter Nutzung des Enterprise Social Networks, Communities of Practice oder Social Mentoring auf Initiative der Mitarbeiter erforderlich.
Auch Karlheinz Pape hat in seinem richtungsweisenden Blog „Lernen in Netzwerken“ die Frage untersucht, welche Elemente das Lernen in Netzwerken kennzeichnen und welche Konsequenzen sich für die Learning Professionals daraus ergeben. Dabei arbeitete er sehr schlüssig heraus, dass dieses Lernen vor allem durch Selbststeuerung, durch Kompetenzziele sowie durch Bedarfsorientierung geprägt ist. Wer Lernen im Netz zulassen will, muss loslassen können und eine Grundhaltung des „Zutrauens“ aufbauen. Die Learning Professionals übernehmen dabei u.a. die Rolle, Communities of Practice anzuregen, die Infrastruktur für das formelle und informelle Lernen bereit zu stellen, mobile und intelligente Bildungsdienste zu entwickeln, die den Mitarbeitern das an Informationen und Wissen geben, was sie für ihre Arbeits- und Lernprozesse benötigen (Kuratierung), die Führungskräfte in ihrer Rolle als Entwicklungspartner der Mitarbeiter zu coachen und die individuellen Lernprozesse zu begleiten.
Diese Ansätze sind schlüssig und werden in einer (langsam) zunehmenden Zahl an Unternehmen, meist Großunternehmen, schrittweise umgesetzt (vgl. u.a. Corporate Learning 2.0 MOOC). Social Learning verändert das betriebliche Lernen, weil damit persönliche Netzwerke des kollaborativen Arbeitens und Lernens im täglichen Arbeitsprozess geschaffen werden (J. Hart 2013). Die Mitarbeiter können laufend relevante Informationen aus ihrem beruflichen Umfeld erfahren und entwickeln ihren Wissensstand aktuell, sie arbeiten und lernen kollaborativ indem sie im Netz Lösungen für ihre beruflichen Herausforderungen erarbeiten, teilen ihr Erfahrungswissen und Erkenntnisse mit anderen und erweitern damit ihre Lernmöglichkeiten.
Andererseits sind die Mitarbeiter, aber auch die Bildungsplaner und Trainer in den Unternehmen, in ihrer gesamten Lern- und Lehrkarriere zum größten Teil fremdgesteuerte Lernsysteme gewohnt und haben entsprechende Routinen verinnerlicht.
Deshalb ist die entscheidende Frage, wie der Übergang zu kollaborativen Arbeits- und Lernsystemen im Netz aktiv gestaltet werden kann.
Obwohl dieses „neue“ Lernen primär im Arbeitsprozess, informell und weitgehend ungeplant, eher intuitiv erfolgt, halte ich eine didaktisch-methodische Konzeption für zwingend erforderlich. Auch dezentrale, individuelle Lernprozesse müssen geplant werden. Der Paradigmenwechsel besteht dabei darin, dass die Planung der Lernprozesse nicht mehr zentral, z.B. durch eine Bildungsakademie, erfolgt, sondern jeder Mitarbeiter seine individuellen Lernprozesse auf Basis der Vereinbarungen mit seiner Führungskraft eigenverantwortlich, von der Zieldefinition über die Planung bis zur Überprüfung des Lernprogrammes, plant und steuert. Aber auch dieses Lernen ist zielorientiert und wird vor allem durch die Unternehmensstrategie bestimmt.
Im deutschen Bildungssystem, auch in der betrieblichen Bildung, dominiert bisher eine „Belehrungsdidaktik“ mit behavioristischen und kognitivistischen Lehrkonzepten. Eine strenge Kausalität zwischen Lehren und Lernen kann jedoch nicht aufrechterhalten werden (Schüßler, I. 2007) Es ist deshalb eine „Ermöglichungsdidaktik“ erforderlich, die davon ausgeht, dass Lernen ein selbstorganisierter, konstruktivistischer Aneignungsprozess ist (Arnold, R. 2013).
Ermöglichungsdidaktik hat zum Ziel, den Lernenden alles an die Hand zu geben, damit sie ihre individuellen Lernprozesse problemorientiert und selbstorganisiert gestalten können.
Die Planung von Lernarrangements wird damit zu einer Inszenierung von Erfahrungsräumen, in denen den Lernenden Entwicklungsmöglichkeiten eröffnet werden, die sie zu ihren Bedingungen eigenverantwortlich nutzen können. Es wird dabei nicht mehr der Anspruch erhoben, man könne Lernprozesse aus einer zentralen Position heraus direkt beeinflussen. Die Lernsituation wird deshalb nicht nach dem Inhalt sondern aus Sicht des Lernenden als Lernrahmen gestaltet.
Der Ermöglichungsrahmen ist ein planvoll entwickeltes Lernarrangement, das didaktische, methodische, materielle und mediale Aspekte so anordnet, dass die Wahrscheinlichkeit für den Lernerfolg möglichst hoch wird (Wahl, D. 2013).
Dieser Lernrahmen macht es möglich, dass die Lerner individuelle, formelle Lernprozesse mit dem Ziel des Wissensaufbaus und der Qualifizierung, aber auch des Praxistransfers, selbstgesteuert realisieren. Sie verknüpfen dabei individuelles und formelles, kooperatives Lernen. Erst durch diesen Ermöglichungsrahmen wird aber auch Kompetenzentwicklung im Prozess der Arbeit und kollaborativ im Netz wirksam ermöglicht und gefördert. Dabei verschwindet die Grenze zum Enterprise Social Network nach und nach.
Grundsätzlich kann damit Lernen im Netz in folgenden Ausprägungen in die Lernkonzepte integriert werden (vgl. Robes, J. 2012 S. 3 f.):
- Wissensaufbau und Qualifizierung: Die Lerner gestalten ihre Lernprozesse im Rahmen vorgegebener Lernarrangements selbstorganisiert. Sie bringen sich mit ihrem Profil ein und stellen Lösungen, Literatur- oder Linklisten, Forumsdiskussionen, Wikis, Blogs oder Microblogs der aktuellen und der zukünftigem Lerner-Community zur Verfügung. Sie verfolgen im Netz Diskussionen und Konferenzen über entsprechende Hashtags, abonnieren für sie interessante Blogs und fassen diese in Newsreader zusammen, nutzen Bildungskanäle auf YouTube oder TED oder suchen gezielt Lernvideos. Die Lerner bringen sich aktiv in das soziale Netzwerk ein und tauschen dort ihre Lernerfahrungen aus. Auf dieser Basis entwickeln sie ihr persönliches Wissensmanagement.
- Kompetenzentwicklung: Die Lerner erweitern ihre Lernprozesse um den Kompetenzaufbau , indem sie ihre Lernziele im Arbeitsprozess und ihre Lernorganisation eigenverantwortlich selbst gestalten, ihr Erfahrungswissen einbringen und mit Netzwerkpartnern analysieren, diskutieren und weiterentwickeln, in kollaborativer Form Aufgabenstellungen aus der Praxis selbstorganisiert bearbeiten, Aufgaben bearbeiten oder kreative Ideen entwickeln. Dazu benutzen sie Blogs, Wikis, Gruppenchats, Webinar-Systeme oder kollaborative Arbeitstools (z.B. Etherpad). Für den Wissensaufbau und die Qualifizierung, die für die Kompetenzentwicklung notwendig sind, nutzen sie bei Bedarf die entsprechenden Tools und Open Resources.
Die neuen Lernarrangements haben grundlegend veränderte Rollen und Handlungsweisen aller Beteiligten zur Folge:
- Vom Ziel des Wissensaufbaus und der Qualifizierung (Curricula) zu individuellen Kompetenzzielen,
- vom Lernort Seminar zur Verbindung von Arbeit und Lernen,
- von der Lehre zum eigenverantwortlichen Lernen innerhalb eines Ermöglichungsrahmens,
- vom fremdorganisierten zum selbstorganisierten Lernen,
- von der Wissensabfrage zur Messung des Erfolgs in Projekten und in der Praxis,
- vom Lehrenden zum Lernbegleiter als Coach und Mentor.
Die Handlungsroutinen der Menschen beim Lernen haben sich seit ihrer Kindheit entwickelt und verfestigt, so dass sie nur langfristig auch wieder abgebaut und durch neue Denk- und Handlungsweisen ersetzt werden können. Deshalb ist ein langfristiges Veränderungsmanagement erforderlich, das eine entsprechende Entwicklung der Lernkultur bewirkt.
Wir haben gute Erfahrungen damit gemacht, zunächst die Kompetenzentwicklung der heutigen Bildungsplaner und Trainer im Rahmen eines „Doppel-Decker“-Konzepts zu ermöglichen, indem diese eine projektorientierte Social Blended Learning Konzeption zunächst als Lerner selbst erleben, um dann ihr gewonnenes Erfahrungswissen auf ihre eigenen, zukünftigen Lernlösungen für ihre individuelle Zielgruppe anwenden. Damit kann eine hohe Akzeptanz für die innovativen Lernsysteme aufgebaut werden. Gleichzeitig werden bedarfsgerechte Lernlösungen durch diese Bildungsexperten entwickelt und anschließend umgesetzt.
Dabei wird selbstgesteuertes Lernen im Netz zunächst im Rahmen von Blended Learning Arrangements eingeführt. Die Mitarbeiter bewegen sich dabei nach wie vor in gewohnten Lernumgebungen mit Workshops und Moderator, übernehmen aber in der Selbstlernphase erste Verantwortung für den selbstgesteuerten Aufbau von Wissen und Qualifikation. Dabei werden sie in einem System aus Lernpartnerschaften, Lerngruppen und Lernbegleiter flankiert.
In einem weiteren Schritt werden reale Herausforderungen im Form von Praxis- und Projektaufgaben in diese Lernarrangements integriert, es entwickeln sich Social Blended Learning Arrangements. Im begrenzten Bereich dieser Problemlösungs-Prozesse definieren die Mitarbeiter nunmehr ihre Kompetenzziele in Abstimmung mit der Führungskraft selbst und gestalten ihre Lernprozesse selbstorganisiert. Dabei nutzen Sie die Angebote aus dem Ermöglichungsrahmen und können bei Bedarf das Coaching eines Lernbegleiters, aber insbesondere auch das Co-Coaching von Lernpartnern, in Anspruch nehmen. Wir gehen davon, dass die Mitarbeiter den Ermöglichungsrahmen nach und nach auch zur Lösung der tagtäglichen Praxisaufgaben nutzen werden.
Lernen und Arbeiten wachsen damit schrittweise zum Social Workplace Learning zusammen.