Ein Polizist fragt einen Mann, der unter einer Straßenlaterne nach seinen Schlüsseln sucht: “Sind Sie sicher, dass Sie sie hier verloren haben?“
Der Mann antwortete: „Nein, ich denke, sie sind mir im Park aus der Tasche gefallen.“
„Weshalb suchen Sie dann aber hier und nicht im Park?“, fragte der Polizist.
Der Mann sagte: „Hier ist das Licht besser.“
nach Jay Cross[1]
Dieser “Streetlight Effect” spiegelt genau die Situation in den meisten betrieblichen Weiterbildungsmaßnahmen wider. Obwohl die oft wiederholten Untersuchungen von Kirkpatrick (1976, 2009) belegen, dass bei Seminaren und Weiterbildungsveranstaltungen im klassischen Sinne nur etwa 7-8 % des Gelehrten in der späteren Arbeit auch wirklich wirksam werden, versuchen Trainer immer wieder, erfolgreiche Mitarbeiter und Führungskräfte in künstlich geschaffenen Lernräumen zu entwickeln. Dabei wissen wir, dass die Kompetenzen zur erfolgreichen Bewältigung von Problemstellungen in der Praxis nur durch die Mitarbeiter und Führungskräfte selbstorganisiert aufgebaut werden können, indem Sie reale und herausfordernde Problemstellungen in ihrer Praxis lösen. Genauso wie der Mann im Eingangsbeispiel seine Schlüssel nur im Park finden kann, können berufliche Kompetenzen nur im Prozess der Arbeit entwickelt werden. Lernen und Arbeiten müssen deshalb zusammen wachsen!
Die betriebliche Lernwelt verändert sich. Was jahrzehntelang selbstverständlich war, erfüllt die Anforderungen in einer Welt der Enterprise 2.0 und einer vernetzten Privat- und Arbeitswelt nicht mehr. Unter Enterprise 2.0 versteht man dabei Unternehmen, die Soziale Software-Plattformen in der Kommunikation innerhalb der Organisation, aber auch mit Partnern und Kunden nutzen.[2] Sie betreiben Social Business, indem sie Social Media und soziale Praktiken in ihre laufenden Aktivitäten integrieren. Diese Unternehmen werden zwangsläufig immer mehr, da die Märkte sich entsprechend verändern.
Der Wettbewerb der Zukunft ist ein Kompetenzwettbewerb.
Kompetenzentwicklung am Arbeitsplatz und im Netz entscheidet deshalb die Zukunft maßgeblich mit. Die Entwicklungen in der Arbeitswelt, aber auch in der Welt des Internet, haben grundlegende Veränderungen in den Arbeits- und damit auch in den Lernprozessen in den Unternehmen bewirkt. Menschen, die es, wie heute üblich, gewohnt sind, mit hohem persönlichen Einsatz in ihrer Arbeitswelt im Rahmen von Zielvereinbarungen selbstständig Lösungen zu entwickeln und Entscheidungen zu treffen, können in ihren Lernprozessen nicht wie unmündige Kinder behandelt werden.
Zukünftige Lernsysteme werden durch selbstorganisierte Lernprozesse geprägt sein.
Die Entwicklung vom Web 1.0 zur Welt des Web 2.0 zeigt in die gleiche Richtung. Aus dem suchenden Nutzer vorhandener Webinhalte wurden aktive Mitgestalter des Web, die eigenes Erfahrungswissen in das System einbringen und in der Kommunikation mit ihren Netzwerkpartnern zu gemeinsamem Wissen weiter entwickeln. In wenigen Jahren werden semantische Systeme Lernlösungen ermöglichen, in denen der „Lernpartner Computer“ Aufgaben übernimmt, die heute nur menschliche Tandempartner erfüllen können.
Arbeitsprozesse dienen als Katalysatoren der Kompetenzentwicklung: Erst bei der Lösung von Praxisproblemen, in realen Entscheidungssituationen werden die notwendigen Lernprozesse initiiert, um Kompetenzen handlungswirksam zu verankern. Betriebliche Bildung, die das primäre Ziel verfolgt, den Unternehmenserfolg zu sichern, wird den selbstorganisierten Aufbau der Kompetenzen aller Mitarbeiter, d.h. aller Talente, ermöglichen. Deshalb werden Lernen und Arbeiten wieder zusammen geführt, weil der Aufbau von Kompetenzen nur in der Praxis möglich ist.
Lernen und Arbeiten werden mit dem Ziel der Kompetenzentwicklung zu einem integrierten Lernsystem zusammen geführt.
Die Mitarbeiter sehen sich zunehmend als gleichberechtigte Partner, sowohl in der Kommunikation mit anderen Lernpartnern, als auch mit Tutoren, Coaches und Trainern. Diese selbst organisierten Lernprozesse sind, wie Arbeitsprozesse in der Praxis, nur in der Kommunikation mit Lernpartnern, Experten oder Coaches, möglich.
Lernen wird immer mehr im Netz(-werk) stattfinden.
Wissen kann nicht vermittelt werden, Kompetenzen schon gar nicht. Die Didaktik betrieblicher Bildung muss sich vielmehr zu einer „Ermöglichungsdidaktik“ wandeln. Der betriebliche Bildungsbereich erhält damit die Aufgabe, Lernsysteme zu entwickeln und Rahmenbedingungen zu schaffen, die es den Mitarbeitern und Führungskräften ermöglichen, ihre individuellen Lernprozesse optimal selbst organisiert zu gestalten. Werte und Normen bilden die Kerne von Kompetenzen und werden zu zentralen Zielen dieser Lernprozesse. Werden sie auf der Basis einer zielgerichteten Wissensvermittlung und Qualifizierung verinnerlicht, sprechen wir von Kompetenzentwicklung.
Betriebliches Lernen hat zum Ziel, den selbstorganisierten Wissens- und Kompetenzaufbau aller Mitarbeiter und Führungskräfte zu ermöglichen.
Die Rollen der Lerner, aber insbesondere auch der Lernbegleiter und der Personalentwicklung verändern sich fundamental. Die Denk- und Handlungsweisen aller Beteiligten wandeln sich aber nur in einem kontinuierlichen Veränderungsprozess, da sich die Handlungsroutinen über einen langen Zeitraum aufgebaut haben.
Die Mitarbeiter und Lernbegleiter benötigen Zeit, sich schrittweise auf die neuen Herausforderungen zukünftiger Arbeits- und Lernsysteme hin zu entwickeln.
Die Kompetenzentwicklung der identifizierten Talente, der Spezialisten und Führungskräfte, die kritische Positionen im Unternehmen besetzen können, wird zu einer strategischen Aufgabe. Internationale Studien zeigen, dass Unternehmen, die ein überdurchschnittliches Talentmanagement praktizieren, gegenüber Unternehmen, die in diesem Bereich weniger leistungsfähig sind, ihre Gewinne im Laufe der Zeit über das doppelte steigern können. Während in früheren Ansätzen nur sogenannte High Potentials als Talente definiert wurden, hat sich heute die Auffassung weitgehend durchgesetzt, dass Talentmanagement breit, auf alle Mitarbeiter bezogen, und strategisch, auf die Umsetzung der Unternehmensziele ausgerichtet, gestaltet werden sollte. Jeder Mitarbeiter und jede Führungskraft wird damit als Talent gesehen, dessen Entwicklung ermöglicht werden soll.
Man kann Talente nicht managen, sondern nur ihre individuellen Lernprozesse fördern, indem man Ihnen den erforderlichen Entwicklungsrahmen zur Verfügung stellt.
[1] Cross, J. (2012): Why Corporate Training is Broken And How to Fix It, abgerufen unter http://www.internettime.com/2012/07/why-corporate-training-is-broken-and-how-to-fix-it/ am 15. Mai 2013
[2] vgl. Buhse, W.; Stamer, S. (Hrg.)(2008)