Die deutsche Gesellschaft für Personalführung befindet sich in einem grundlegenden Wandlungsprozess. Insbesondere die DGFP-Akademie hat sich unter Leitung von Jörg Schäfer mit einem jungen und deutlich weiblicheren Team neu ausgerichtet. Dies zeigte sich insbesondere auch in dem veränderten Format sowie in den Themen der Jahrestagung Personalentwicklung, die vergangene Woche in einer ehemaligen Fabrikhalle in Ludwigsburg über zwei Tage statt fand.
In einem Mix aus Impulsreferaten, Themenräumen, Diskussionsrunden („Hart aber fair“), Dialogforen, „Networking-Night“ und Mittmach-Räumen entwickelten sich intensive und gewinnbringende Diskussionen. Dieser Austausch wurde durch die vielfältigen und offenen räumlichen Angebote deutlich gefördert.
Im ersten Block bildete Lernen 4.0, d.h. das neu Denken von ganzheitlichen Lernkonzepten in Unternehmen, den Schwerpunkt. Rolf Arnold von der TU Kaiserslautern brachte gute Neuigkeiten über das Lernen mit: „Wie man lehrt, ohne zu belehren.“ Die Curricularisierungsstrategie (Motto: „Wir qualifizieren für die Bewältigung späterer Lebenssituationen!“) wird mehr und mehr fraglich und es bedarf einer Ablösung durch eine reflexive Bildungsstrategie, der es darum geht, die Selbstlern- und Selbstführungskompetenzen der Lernenden zu stärken. Er entwickelte die Grundlagen einer intransitiven Kompetenzförderung und beleuchtete die ermöglichungsdidaktische Kriterien einer gelingenden Kompetenzreifung. Die Ermöglichungsdidaktik entwickelt sich dabei mehr und mehr zu einer Theorie der Selbstorganisation von Lernen und Kompetenzentwicklung.
Joachim Hasebrook von der zeb business school Münster machte sich Gedanken über die Fragen, ob man Zukunft können kann und wie das Lernen in der Arbeitswelt 4.0 aussehen wird. Er analysierte die Konsequenzen der Entwicklung humanoider Computer, neuer Internettechnologien und der zunehmenden Computerisierung der Alltagswelt durch das sogenannte „Internet der Dinge für die zukünftigen Arbeits- und Lernwelten. Dies bedeutet eine Revolution der zukünftigen Lernwelt, entsprechend den Entwicklungen im Arbeitsprozess.
Nach einer Phase intensiver Diskussionen konzentrierte sich der Austausch auf das Thema Kompetenzmodell 4.0, die Frage, wie die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen gesichert werden kann. Gemeinsam mit John Erpenbeck untersuchten wir die Frage, ob Personalentwicklung ohne Kompetenzentwicklung möglich ist. Wir zeigten auf, dass die Entwicklung zu Arbeit 4.0, Industrie 4.0 und Lernen 4.0 einen Kompetenzbegriff erfordert, der sich deutlich von den Ausprägungen dieses Begriffes in den bisherigen Phasen unterscheidet. Während Kompetenz 1.0 eine ökonomisierte Variante der Bildung darstellte, die sich in der Phase der Kompetenz 2.0 zu einem allgemeinen Handlungsrahmen wandelte, um in der Ära der Kompetenz 3.0 zu einer kognitiven Leistungsdimension (Wissen und Fertigkeiten), z.B. bei PISA, zu verkümmern, benötigen wir im Zuge der Digitalisierung einen Kompetenzbegriff 4.0 im Sinne einer kreativen Selbstorganisationsfähigkeit. Von der Kernfrage ausgehend, wie wir Menschen auf berufliche Aufgaben vorbereiten, die gegenwärtig noch gar nicht exisiteren, auf die Nutzung von Technologien, die noch gar nicht entwickelt sind, um Probleme zu lösen, von denen wir heute noch nicht wissen, dass sie entstehen werden, bedeutet digitale Kompetenz die Fähigkeit, in unerwarteten, zukunftsoffenen, zuweilen chaotischen beruflichen Herausforderungen unter Nutzung digitaler Systeme erfolgreich zu handeln.
Auf Basis der Bedarfserhebungen in der Deutsche Bahn AG entwickelten wir eine Konzeption der Kompetenzentwicklung im Netz, die sich bereits in einer Reihe von Projekten bewährt hat. Die Einführung dieser innovativen Lernarrangements erfordert ein Veränderungsmanagement, da sich die Rolle aller Beteiligten grundlegend verwandelt, von der Fremd- zur Selbstorganisation. Die Rolle der Personalentwicklung mit der Fiktion, zentral alle Lernprozesse im Unternehmen gestalten zu können, wandelt sich zu einem Kompetenzmanagement, das einen Ermöglichungsrahmen für selbstorganisiertes Lernen im Prozess der Arbeit aufbaut und laufend optimiert. Dieses Kompetenzmanagement begleitet als strategischer Partner der Unternehmensleitung die erforderlichen Veränderungsprozesse, steuert die personalisierte Kompetenzentwicklung im Unternehmen und ermöglicht die Kompetenzentwicklung der Führungskräfte und Learning Professionals für ihre neue Rolle.
Auf Basis der Praxiskonzepte der Telekom, der Lufthansa, von AXA und anderer Unternehmen entwickelten sich intensive Diskussionen. Dabei wurde deutlich, dass zumindest in den großen Unternehmen der Weg in die Lern- und Kompetenzwelt 4.0 bereits im vollen Gange ist.
Vordergründig kontrovers wurde die Frage diskutiert, ob man noch Kompetenzmodelle benötigt. Dabei wurde rasch deutlich, dass die Vertreter dieser These von einem Kompetenzmodell ausgingen, das versucht, die fachlichen Fähigkeiten für alle Mitarbeiter relativ starr festzuschreiben. Wird das Kompetenzmodell jedoch als grundlegender Kompetenzrahmen gestaltet, der individuell für die jeweiligen Herausforderungen durch die Mitarbeiter in Abstimmung mit ihrer Führungskraft gestaltet wird, dann ergibt sich daraus ein dynamischer Zielrahmen, um digitale Kompetenzen nachhaltig aufzubauen.
Die Jahrestagung Personalentwicklung des dgfp zeigte, wie wichtig dieser Austausch ist, um Missverständnisse zu beseitigen und um gemeinsam Lösungen für die Zukunft zu skizzieren.