Mit der zunehmenden Verbreitung von Smartphones und Tablets nehmen Computerspiele, insbesondere in Form von Browser- und Social-Games, immer mehr zu. Welche Bedeutung haben diese Lernkonzeptionen für die betriebliche Bildung, heute und in der Zukunft?
Der Begriff Game based Learning wird nicht einheitlich definiert. Wir bevorzugen für den Bereich der betrieblichen Bildung folgende Definition: (Digital) game-based Learning (Serious Games, Educational Games u.a.) ist eine Lernkonzeption, die Spiele in einem virtuellen, interaktiven Rahmen für die Qualifikation der Lerner nutzt, indem sie diese emotional bindet .
Lernspiele werden wie Unterhaltungsspiele konzipiert. Die Lerner werden durch die Spielsituation kontinuierlich motiviert, weiterzuspielen. Die Lerner sollen einen „flow“ geraten und sich den Lerngegenstand aneignen, ohne es zu merken („stealth learning“). Dies wird erreicht, indem die Lerner in eine virtuelle Welt und in Geschichten eintauchen, die vom Spiel vorgegebenen Ziele verfolgen, Aufgaben lösen, Hindernisse überwinden und sich mit Freunden verbünden. Teilweise vermischen sich Spielfiktion und Realität. So ging es beispielsweise beim Lernspiel ARG World without Oil darum, die ersten 32 Wochen einer weltweiten Erdölkrise so durchzuspielen, als ob sie tatsächlich stattfinden würde.
Diese Lernkonzeptionen können nach der Spieldynamik, der Symbolstruktur und den Handlungsforderungen unterschieden werden. Hierbei kommen vor allem folgende Varianten vor:
- Actionspiele, in denen die Reaktionsgeschwindigkeit entscheidend ist,
- Adventurespiele, in denen das Lösen von Rätselaufgaben die Rahmengeschichte fortführt,
- Casual Games, deren Spielrahmung weniger komplex und deren Spielregeln schnell erlernbar sind, so dass sich die Spiele gut für eine „gelegentliche“ und beiläufige Nutzung eignen,
- Rollenspiele, in denen sich die Spielfiguren durch Aktionen in ihrer Handlungskompetenz weiterentwickeln;
- Simulationsspiele, die Spielende realitätsnahe Erfahrungen sammeln,
- Sportspiele, die in ihren Regeln echten Sportarten nachempfunden sind;
- Strategiespiele, die hohe Anforderungen an das Management von Ressourcen und Einheiten stellen.
Dabei werden Kontext und Inhalt so miteinander verbunden, dass sich der Lerner die ganze Zeit über wie ein Spieler und nicht wie ein Lernender fühlt. Es ist deshalb ein Gleichgewicht aus Engagement und Lernen anzustreben, da das Spiel sonst entweder zum Lernprogramm, oder aber zu einem Entertainment-Game (Unterhaltungs-Computerspiel) wird.
Wesentliche Voraussetzungen für den Lernerfolg sind folgende Elemente des game based Learning:
- Selbstwirksamkeitserfahrung: Der Lerner erhält auf seine Aktivität eine unmittelbare Reaktion, so dass er das Gefühl hat, einen unmittelbaren Einfluss auf die Handlung in der Spielumgebung zu haben.
- Spannung: Der Lerner muss immer wieder handeln, weil das Spiel dies erfordert. Er verbindet sich emotional mit der Spielfigur, die immer mehr ein Spiegelbild von ihm selbst wird. Das Spiel kann Stolz und gesteigerte Selbstwertgefühle, aber auch Frust und Enttäuschungen bewirken.
- Lebens- und Rollenerfahrungen: In den Spielen werden häufig Realitäten in multimedialer Form simuliert.
- Lernfähigkeit: Spielzyklus aus Spielerverhalten, Rückmeldungen des Programms, und der daraufhin von Spielenden vorgenommenen Beurteilung des Spielfeedbacks und des eigenen vorherigen Verhaltens. Hierbei ist eine abgestimmte Balance von Herausforderungen und Erfolgserlebnissen für den Lernerfolg förderlich.
Mit realitätsnahen digitalen Lernspielen können in der betrieblichen Bildung folgende Lernbereiche gefördert bzw. initiiert werden:
- Aktives Lernen: Die Lerner müssen den Spielzyklen kontinuierlich handeln. Deshalb besteht die wesentliche Herausforderung für das Spieldesign darin, Lernprozesse beim Spielen anzuregen, das Spiel aber auch so zu gestalten, dass der Lernprozess im Spiel stattfindet.
- Konstruktives Lernen: Handlungsalternativen werden nach dem Versuch-und-Irrtum-Prinzip und durch die Auswertung eigener Erfahrungen entwickelt.
- Selbstgesteuertes Lernen: Es wird eine intensive Interaktion geboten, die das Gefühl der Selbstwirksamkeit der Lerner ermöglicht. Diese Spiele können hoch motivierend sein, passen sich an das Niveau der Spieler an und führen so zu spürbaren Erfolgserlebnissen. Die Erfahrungen, die im Spiel gesammelt werden, können sich in den Handlungen der Lerner niederschlagen.
- Soziales Lernen: Viele Lernspiele erfordern ein kooperatives, aber auch wettbewerbsorientiertes, Zusammenwirken der Lerner.
- Emotionales Lernen: Die Lerner identifizieren sich persönlich und werden im Spielverlauf emotional gefordert.
- Situiertes Lernen: Die Spieler versetzen sich in unterschiedliche Rollen und Spielsettings mit entsprechenden Problemen und Aufgaben.
Grundsätzlich können Spiele auf zwei Wegen mit einer Lernkonzeption verknüpft werden:
- Integration in eine Lernkonzeption: Das Spiel wird in eine didaktisch aufbereitete Lernkonzeption eingebettet. Während das Spiel der Motivierung, der Emotionalisierung und der Selbsterfahrung dient, findet der wesentliche Lernprozess in der anschließenden Reflexion der Erfahrungen statt.
- Einbettung einer Lernaufgabe in das Spiel: Die Lerner müssen im Rahmen des Spieles didaktisch aufbereitete Aufgaben lösen, um weiterspielen zu können, um das nächste Spiel-Level zu erreichen oder andere Vergünstigungen oder Punkte zu erzielen. Damit wird das Lernspiel quasi zur Anwendungsumgebung. Dabei muss darauf geachtet werden, dass der Spielfluss möglichst aufrechterhalten wird und mediale und technische Brüche vermieden werden.
Natürlich wird auch in Entertainment-Games gelernt, jedoch in informeller Form. Deshalb ist es denkbar, dass solche Elemente auch in formelle Lernprozesse integriert werden.
Komplexe Ausgangslagen, Authentizität und Situiertheit, soziale Verankerung und multiple Perspektiven ermöglichen in Serious Games situiertes Lernen. Mit der Entwicklung semantischer Systeme werden sich die Lernspiele zukünftig immer mehr der Realität angleichen, so dass in einigen Jahren auch Kompetenzentwicklungsprozesse mit game based Learning möglich sein werden, weil sie dann emotional-motivationale Labilisierungsprozesse ermöglichen.
Ihr
Werner Sauter