Duale Ausbildung – einfach weiter so?

Bereits vor längerer Zeit habe ich über unser Projekt der kompetenzorientierten Blended Learning Bankausbildung mit der RWGA – Rheinisch-Westfälische Genossenschaftsakademie – berichtet. Diese zeigt nach den ersten beiden Jahren wesentliche Vorteile:

  • Effiziente Qualifizierung und kompetenzorientierte Ausbildung der Auszubildenden,
  • reduzierte Anzahl von innerbetrieblichen Seminartagen bei gleichzeitiger Erweiterung der Ausbildungsinhalte um vertriebsorientierte Trainingsmaßnahmen,
  • konsequente Förderung des eigenverantwortlichen Denken und Handeln von Anfang an (Lebenslanges Lernen),
  • bedarfsgerechte Verknüpfung von Präsenzunterricht, Tandem- und Gruppenarbeit sowie selbstorganisiertem Lernen mit E-Learning,
  • bedarfsgerechte, unternehmensbezogene  Web Based Trainings für den Lernbedarf der Teilnehmern sowie
  • optimale Vorbereitung auf die Kaufmannsgehilfenprüfung.

Trotz dieser überzeugenden Lösung verändert sich im Ausbildungsbereich dieser Branche kaum etwas. Es dominieren nach wie vor theorielastiger Berufsschulunterricht, interne Seminare (evtl. in Verbindung mit einzelnen E-Learning Programmen) und systematische Vorbereitung auf die IHK-Prüfung, schließlich wird daran meist der Ausbildungserfolg gemessen.  Was bereits heute in einem dualen Bildungssystem möglich ist, wenn die politischen Rahmenbedingungen den Anforderungen der Praxis angepasst sind, zeigt dagegen das Beispiel der gemeinsamen Ausbildung der schweizer Banken, das als Blended Learning System nach dem Konzept des „Connected Learning“ gestaltet ist. Dieser Begriff wird dabei durch vier didaktische Prinzipien geprägt:

  • Selbstgesteuertes Lernen: Verantwortung fürs eigene Lernen übernehmen, den individuellen Lernweg gestalten und überprüfen.
  • Integriertes Lernen: Vielfältige, aufeinander abgestimmte Lehr- und Lernformen, optimale Kombination von Präsenzunterricht und E-Learning.
  • Kooperatives Lernen: Voneinander und miteinander lernen, auch in Gruppen und zu zweit arbeiten.
  • Problemorientiertes Lernen: Lernen anhand praxisrelevanter Problemstellungen, Anknüpfung an aktuelle Probleme und persönliche Erfahrungen.

Die „Lehrpersonen“ wandeln sich zu „Lernhelfern“. Schließlich gelangen die Lernenden zu folgenden Kompetenzen: Sie verfügen über ein gut organisiertes differenziertes Wissen und entsprechende Strategien, um das eigene Wissen anzuwenden oder weiter zu vergrößern. Sie planen, steuern und kontrollieren das eigene Lernen.  Sie sind intrinsisch motiviert und entwickeln ihre Interessen. Sie pflegen einen kommunikativen Austausch mit anderen und lernen voneinander. Sie kennen ihr eigenes Stärken- und Schwächenprofil und können aus ihren Erfahrungen lernen. Sie verfügen über die Bereitschaft zum Networking und nutzen die damit verbundenen Chancen während und nach der Ausbildung.

Diese Beispiele beweisen, dass eine kompetenzorientierte Bankausbildung möglich ist, die nicht primär auf eine wissensorientierte Abschlussprüfung zielt, sondern den wirklichen Erfordernissen in der betrieblichen Praxis entspricht. Die Kompetenzentwicklung der Auszubildenden, und nur um die geht es letztendlich in der Ausbildung, könnte schon heute an ihrem Kompetenzprofil im Vergleich zum Soll-Profil gemessen werden. Dabei ist nicht entscheidend, wie viel sie wissen, sondern wie sie das vorhandene Wissen, das in ihrem Kopf, im Netzwerk oder im Netz abrufbereit steht, zur Lösung von realen Problemstellungen, nicht von sogenannten „entscheidungsorientierten“ IHK-Prüfungsaufgaben, einsetzen können. Auch die IHK-Prüfung in der jetzigen Form wird perspektivisch überflüssig, die Kompetenzentwicklung in der Praxis zählt.

Vermutlich können die Ausbildungsbetriebe in den kommenden Jahren oder Jahrzehnten (?) die Probleme, die mit der Starrheit der Rahmenbedingungen der Berufsausbildung verbunden sind, nur verringern, ähnlich wie dies die RWGA beispielgebend umgesetzt hat. In der Praxis zeigen sich hierbei jedoch häufig starke Beharrungstendenzen in den Ausbildungsbereichen, weil über Jahrzehnte aufgebaute Ausbildungssysteme ungern aufgegeben werden.  Auch ein Umdenken der Bildungspolitiker oder der Verantwortlichen im DIHK ist leider in absehbarer Zeit nicht zu erwarten.

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