Frontalunterricht oder agile Entwicklungswerte?

Heute schreibe ich meinen 300. Blogbeitrag  in nunmehr sieben Jahren. Ich empfinde es als bereichernd, mich wöchentlich mit einem Aspekt aus dem Bereich des Corporate Learning zu beschäftigen, der mich gerade beschäftigt. Deshalb danke ich meinen Lesern, die mir folgen.

Wenn man die aktuellen Meldungen liest, nach denen beispielsweise  der CDU-Generalsekretär in Baden-Württemberg, Manuel Hagel, gelernter Bankkaufmann (Jahrgang 1988!), allen Ernstes die  Rückkehr zum Frontalunterricht fordert, dann wird deutlich, dass wir trotz Internet, Digitalisierung, Disruption, Industrie 4.0 und ähnlichen Entwicklungen noch lange gegen verkrustete und unsinnige Denkroutinen  in der Bildungslandschaft ankämpfen müssen.

Deshalb lohnt es sich, sich immer wieder mit den notwendigen Veränderungen zu beschäftigen. Dabei wird man zwangsläufig heute auf das Phänomen agiler Arbeitsprozesse stoßen, die tiefgehende Konsequenzen für unsere Bildungssysteme bewirken.

Agilität ist die Fähigkeit, sich kontinuierlich an seine komplexe, turbulente und unsichere Zukunft anzupassen (Häusling & Fischer 2016, S. 30).

Diese Anforderung hat zur Folge, dass gepauktes Wissen auf Vorrat und begrenzte Kompetenzen zunehmend weniger gefragt sind. Gesucht sind vielmehr Fähigkeiten, sich schnell verändernden, heute oftmals unbekannten, Rahmenbedingungen, wechselnden Anforderungsprofilen sowie Herausforderungen anzupassen. Es ist schon erstaunlich, dass diese Erkenntnis nicht bis zu Politikern aus der Generation Y durchdringen kann.

Wir haben  in unserem Team analysiert, was agiles Lernen, besser  agile Entwicklung der Mitarbeiter, für Merkmale aufweist:

  • Die Mitarbeiter stehen im Mittelpunkt: Agile Entwicklung orientiert sich konsequent an den Mitarbeitern. Agile Entwicklungsmethoden rücken den Menschen, Lerntandems und -gruppen sowie deren persönliche Interaktion in den Mittelpunkt.
  • Die Entscheidungen und Handlungen in den selbstorganisierten, personalisierten Lernprozessen werden durch die agilen Entwicklungswerte bestimmt:
    • Mut: Bereitschaft, Entscheidungen zu treffen und neue Wege zu gehen
    • Fokus: Konzentration auf die vereinbarten Praxisaufgaben und –projekte, um zielorientiert und kreativ zu arbeiten und zu lernen
    • Commitment: Im Rahmen verbindlicher Vereinbarungen Verantwortung übernehmen
    • Respekt: Die Mitarbeiter achten ihre Entwicklungspartner und betrachten sie als gleichwertig
    • Offenheit: Bereitschaft, auf Veränderungen zu reagieren, sich mit Kollegen auszutauschen und sein eigenes Wissen zu teilen
    • Wertschätzung und Vertrauen: Jeder Mitarbeiter gibt sein Bestes im Sinne des Teams und der Organisation.
  • Übernahme von Verantwortung: Jeder Mitarbeiter ist für seinen Entwicklungsprozess selbst verantwortlich.
  • Selbstorganisation: Die Mitarbeiter gestalten ihre Lernprozesse in eigener Verantwortung, meist in Abstimmung mit Entwicklungspartnern, ihrer Führungskraft und bei Bedarf einem Prozessbegleiter. Sie legen damit Ziele und Inhalte, aber auch Lern- und Sozialformen, Medien und Zeiten sowie Lernorte selbst fest. In regelmäßigen Reflexionsphasen optimieren sie ihre personalisierten Entwicklungsprozesse. Daraus ergibt sich zwingend, dass die Mitarbeiter immer mehr die Fähigkeit aufbauen müssen, selbstorganisiert heute noch unbekannte Herausforderungen zu bewältigen, sie müssen agil handeln können. Die Trainer, die bisher ihre Lehrarrangements gesteuert haben, wandeln sich zu Prozessbegleitern
  • Flexibilität und Dynamik: Die personalisierten Entwicklungskonzeptionen werden bei Bedarf durch die Mitarbeiter angepasst. Agile Entwicklungssysteme sind durch ein hohes Maß an Flexibilität und große Robustheit gegenüber Herausforderungen geprägt, auch wenn sie noch unbekannt sind.
  • Qualität im Kern: Jeder Mitarbeiter ist für die Qualität seines Entwicklungsprozesses selbst verantwortlich.
  • Einfachheit der definierten Entwicklungspakete und verbindliche zeitliche Taktung: Die Praxisaufgaben und Projekte werden in Hinblick auf den Entwicklungsprozess der Mitarbeiter priorisiert. Der Entwicklungsprozess wird in Pakete zerlegt, die einen eigenständigen Wert für den Mitarbeiter besitzen. Deshalb ist für die Strukturierung des gesamten, personalisierten Lernprozesses ein Advanced Organizer erforderlich (vgl. Wahl 2013 S. 284). Diese Expertenstruktur erleichtert den Einstieg in die Entwicklungsumgebung, weil die Mitarbeiter ihre Aufmerksamkeit auf die für sie wichtigen Teile lenken. Sie schaffen eine klare Orientierung für ihre selbstorganisierten Entwicklungsprozesse, können das neue Wissen mit ihrem Vorwissen verknüpfen, vermeiden Missverständnisse, z.B. aufgrund von Verwechslungen und erleichtern die Bewältigung von Herausforderungen in der Praxis. Die jeweiligen Vereinbarungen werden schriftlich dokumentiert, um die Verbindlichkeit zu sichern. 
Diese Veränderungen berühren damit nicht nur Technologien und wirtschaftliche Faktoren. Auch Erkenntnisse aus der Gehirn- und Verhaltensforschung, Fakten aus den Bereichen Datenschutz und Sozialökonomie, Einsichten aus der modernen Bildungsforschung und Bildungsökonomie sind zu berücksichtigen (Borell, 2015). Unternehmen, die sich aktiv den disruptiven Entwicklungen stellen wollen, benötigen die Fähigkeit, die damit verbundenen Einflüsse auf ihre organisationalen wie individuellen Kompetenzstrukturen angemessen zu interpretieren und Strategien zur Anpassung zu entwickeln. (Reinhardt 2014).
  • Skalierbarkeit: Die Entwicklungsprozesse entstehen bei Bedarf, so dass Lernen „on demand“, je nach Herausforderung, möglich ist. Deshalb werden die personalisierten Entwicklungsprozesse in eine Serie von Paketen (‚Inkremente‘) zerlegt, die jeweils in kurzen Zyklen entstehen und umgesetzt werden.
  • Konstante Geschwindigkeit: Die Lerner vereinbaren regelmäßige Arbeitsschritte, Meilensteine und Jour-fixe
  • Soziales Lernen in Cross-functional Teams: Entwicklungsgruppen aus verschiedenen Bereichen der Wertschöpfungskette lernen zusammen. Agiles Arbeiten und agile Entwicklung erfolgen kollaborativ. Deshalb ist ein Ermöglichungsrahmen für die agile Entwicklung erforderlich, der soziales Lernen durch Social Media, soziale Netzwerke oder Communities ermöglicht. Dabei werden die Medien und Tools eingesetzt, die auch im Arbeitsprozess verwendet werden.
  • Lernen im Netz: Agile Entwicklung basiert auf effizienter Kollaboration, d.h. der gemeinsamen Bewältigung von Herausforderungen in der Praxis mit Entwicklungspartnern, der erfahrungsorientierten Kommunikation und schnellen Rückmeldungen.
  • Werte- und Kompetenzentwicklung in Herausforderungen in der Praxis: Die Entwicklungsprozesse orientieren sich am Entwicklungsbedarf im Praxisprozess, nicht mehr an vorgegebenen Lernzielen (Curricula). Für die Motivation der Mitarbeiter ist in erster Linie eine klare Struktur am Anfang des Entwicklungsprozesses, die die Vorkenntnisse mobilisiert, die sinnvolle Verknüpfungen zwischen schon vorhandenem und neuem Wissen ermöglicht und die Prozesse des Verstehens anbahnt, maßgebend (vgl. Wahl 2013). Dies wird ermöglicht, indem die Mitarbeiter auf Basis ihrer selbst definierten Kompetenzziele mit ihrer Führungskraft herausfordernde Praxis- und Projektaufgaben definieren, in denen sie ihre Werte und Kompetenzen selbstorganisiert und eingebunden in ein Netzwerk bearbeiten. Die Bildung kann dabei ihre Aufgaben nur erfüllen, wenn sie ein Spiegelbild der – zunehmend digitalisierten – Lebens- und Arbeitswelt wird. Wenn die Mitarbeiter auf ihre zukünftigen, agilen Herausforderungen vorbereitet werden sollen, dann müssen Entwicklungsformen, Kommunikationsmöglichkeiten und Medien dem aktuellen Umfeld einer zunehmend selbstorganisierten Arbeitswelt entsprechen, im besten Fall sogar die Zukunft in diesem Bereich vorwegnehmen.
  • Aktualität: Formelles Wissen und Erfahrungswissen der Lerner müssen sich in einem dynamischen Prozess laufend weiterentwickeln.
  • Konstanter Wissensaufbau: Die Mitarbeiter tauschen ihr Erfahrungswissen laufend aus und entwickeln es gemeinsam weiter.
  • Frühe Lieferung des Geschäftswertes: Die Prozesse der Arbeit oder die Praxisprojekte werden mit den Methoden und Prinzipien des agilen Arbeitens gestaltet, so dass  früh, schnell und kontinuierlich aus den Praxisaufgaben und -projekten Leistungspakete entstehen.
  • Kontinuierliche Reflexion und laufende Anpassung: Regelmäßige Reflexionsschleifen mit Lernpartnern, dem Lernbegleiter und der Führungskraft helfen dem Lerner, seine personalisierten Lernprozesse zu optimieren.
  • Strukturelle Anschlussfähigkeit: Das Entwicklungssystem wird in die Strukturen, Prozesse und in die IT-Infrastruktur des Unternehmens integriert.
  • Nutzenorientierung: Agile Entwicklungssysteme beziehen die Mitarbeiter in die Entwicklung der Entwicklungsprozesse ein und ermöglichen es, für sie früh Werte zu schaffen.

Diese Veränderungen berühren damit nicht nur Technologien und wirtschaftliche Faktoren. Auch Erkenntnisse aus der Gehirn- und Verhaltensforschung, Fakten aus den Bereichen Datenschutz und Sozialökonomie, Einsichten aus der modernen Bildungsforschung und Bildungsökonomie sind zu berücksichtigen. Unternehmen, die sich aktiv den disruptiven Entwicklungen stellen wollen, benötigen die Fähigkeit, die damit verbundenen Einflüsse auf ihre organisationalen wie individuellen Kompetenzstrukturen angemessen zu interpretieren und Strategien zur Anpassung zu entwickeln. (Reinhardt 2014).

Agile Kompetenzentwicklung ist die Weiterbildung der Zukunft!

Die Schulen müssen ihre Schüler auf diese neue Anforderungen vorbereiten. Dies wird sicher nicht mit Frontalunterricht möglich sein.

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