Führungs- und Lernkultur – zwei getrennte Welten

Je häufiger wir Social Blended Learning Maßnahmen umsetzen, desto öfter werden wir mit dem Problem konfrontiert, dass die Führungs- und die Lernkultur in Unternehmen de facto zwei völlig getrennte Bereiche sind. Häufig treffen wir auf Führungskräfte, für die Lernen etwas Abgesondertes vom Arbeitsalltag ist, für das man entweder freigestellt wird, z.B. für einen Seminarbesuch, oder das in der Freizeit stattfindet. Deshalb hat in ihrer Vorstellung Lernen im Arbeitsalltag auch keinen Platz. Dagegen gehen wir in Social Blended Learning Maßnahmen von einem grundlegend anderen Verständnis von Lernen und damit auch einer veränderten Rolle der Führungskraft aus.

Social Blended Learning ist Blended Learning in Verbindung mit einem herausfordernden Praxisprojekt unter Einbindung von Social Software, welche informelles, selbstorganisiertes und vernetztes Lernen ermöglicht. Die Lerner organisieren den Kompetenzentwicklungs-Prozess im Rahmen eines mit der Führungskraft vorab vereinbarten Praxisprojektes selbst, von der Zieldefinition über die Lernplanung bis zur Erfolgskontrolle. Dabei werden sie von einem Lernbegleiter und der jeweiligen Führungskraft unterstützt. In Communities of Practice können die Teilnehmer selbstorganisiert ihre Erfahrungen aus den Projekten austauschen und gemeinsam weiter entwickeln. Lernen und Arbeiten wachsen dabei immer mehr zusammen.

Social Blended Learning erfordert eine veränderte Lernkultur, da die Mitarbeiter nunmehr im Rahmen ihres Praxisprojektes selbst für ihre Lernprozesse verantwortlich sind. Diese „neue Lernkultur“ ist ermöglichungsorientiert, selbstorganisationsfundiert und kompetenzorientiert. Sie unterscheidet sich fundamental von der tradierten Lernkultur, die wir alle aus unserer schulischen, studentischen oder häufig auch betrieblichen Lernkarriere her kennen. Wissens- und   Qualifikationsziele (Curricula) bilden nur noch eine notwendige Voraussetzung, individuelle Kompetenzziele bestimmen die Lernprozesse. „Gesichertes“, meist statisches, Fachwissen wird durch dynamisches Erfahrungswissen der Lerner erweitert. Die Lernorte Seminarraum und Learning Management Systeme werden durch das Lernen am Arbeitsplatz und in Sozialen Lernplattformen ersetzt. Kooperatives Lernen im Rahmen von Übungen wird durch kollaboratives Arbeiten und Lernen erweitert. Die Lehrer, Trainer und Ausbilder werden zum Coach und Mentor, sie begleiten die individuellen Lernprozesse. Testergebnisse werden durch Arbeitsergebnisse und Kompetenzmessungen abgelöst. Die Lerner sind für ihren Lernerfolg selbst verantwortlich und organisieren ihre Lernprozesse selbst.

Die betriebliche Lernkultur wird in den meisten Unternehmen noch viele Jahre lang einen hybriden Charakter aufweisen, so dass die Mitarbeiter mit beiden Ausprägungsformen umgehen müssen. Neben der tradierten Lernkultur werden sich dabei immer mehr Elemente einer selbstorganisierten Lernkultur durchsetzen. Wer ein Social Blended Learning konzipieren und einführen will, das sich schrittweise zu einem Social Workplace Learning, bei dem Arbeiten und Lernen zusammen wachsen, wandelt, sollte nach unseren Erfahrungen schrittweise vorgehen:

Erstens einen wirklich kompetenzorientierten Bildungsauftrag aus der Strategie des Unternehmens, den Zielen der Hochschule oder der Schule ableiten.

Zweitens strategische Gesichtspunkte und solche der Kompetenzentwicklung immer gleichberechtigt behandeln. Denn jeder zukünftige Wettbewerb, ob auf dem Markt oder in Ranking – Listen, ist auch ein Kompetenzwettbewerb.

Drittens bedarfsgerechte Kompetenzmodelle, Kompetenzprofile und Kompetenzmesssysteme immer zusammen mit den Fach- und Führungskräften erarbeiten und dabei die eigenen Lernprozesse als Bestandteil des gemeinsamen Veränderungsprozesses sehen, den man ja maßgeblich mit gestalten will.

Viertens gemeinsam mit dem Kompetenzmanagement-Team Lernrahmen entwickeln, die ein selbstorganisiertes, kollaboratives Lernen aller Mitarbeiter im Prozess der Arbeit möglich machen. Dabei Lern- und Arbeitsprozesse konsequent miteinander verknüpfen.

Fünftens allen Einbezogenen ermöglichen, ihre Kompetenzziele auf Basis der Kompetenzprofile und -messungen in Abstimmung mit Führungskräften selbstorganisiert zu definieren und ihre Lernprozesse im Prozess der Arbeit selbst zu planen und umzusetzen.


Sechstens E-Learning und Blended Learning Lösungen, Podcasts oder Lernvideos zum Aufbau des formellen Wissens sowie Wissensmanagement-Tools zur Nutzung und Entwicklung von Erfahrungswissen anbieten.

Siebtens das kollaborative Arbeiten und Lernen, eine Netzwerkbildung aller Beteiligten, durch geeignete Systeme und Initiativen fördern; dabei wird es sich meist, aber keineswegs ausschließlich, um digitale Netzwerke handeln.

Man kann Kompetenzen nicht lehren. Aber – man kann viel für die Kompetenzentwicklung tun, sie ermöglichen, fördern, antreiben, verstetigen, wenn man sich vor Augen führt, was Wissensweitergabe und Kompetenzentwicklung fundamental unterscheiden. Dies setzt eine Unternehmenskultur voraus, in der Führungs- und Lernkultur eine Einheit bilden.

Social Blended Learning kann deshalb nur dann erfolgreich implementiert werden, wenn die Führungskräfte diesen Ansatz verstehen und ihre neue Rolle akzeptieren, aber auch die notwendigen individuellen Kompetenzen dafür aufbauen. Dies wird man sicher nicht mit „motivierenden“ Power-Point-Vorträgen erreichen. Es ist vielmehr ein Prozess erforderlich, der den Aufbau der erforderlichen Kompetenzen der Führungskräfte in der Unternehmenspraxis ermöglicht und damit bewirkt, dass sie im Rahmen ihrer Rolle als Entwicklungspartner ihrer Mitarbeiter handeln.

Diese Veränderungsprozesse im Bereich der Führungskräfte werden nach unseren Erfahrungen nur dann gelingen, wenn sie Social Blended Learning zunächst als Lerner selbst erleben, eigene Erfahrungen mit dieser Lernkonzeption sammeln und diese mit ihren Kollegen reflektieren. Gleichzeitig sollten sie innerhalb des vorgegebenen Ermöglichungsrahmens die zukünftige Lernkonzeption in ihrem jeweiligen Verantwortungsbereich, insbesondere ihre persönliche Rolle sowie die Rollen der Lernbegleiter und der Lerner, in einem persönlichen Praxisprojekt entwickeln. Weiterhin entwickeln sie ihren individuellen Implementierungsprozess für diese neue Lernkonzeption. Über ein Projekttagebuch, das sie als Blog gestalten, tauschen sie ihre Überlegungen mit ihren Lernpartnern, d.h. anderen Führungskräften aus, und optimieren in einem sozialen Kommunikationsprozess ihre individuellen Lernkonzeptionen.

Unsere Erfahrungen zeigen, dass mit diesem „Doppel-Decker-Prinzip“ innerhalb weniger Wochen Sicherheit und eine hohe Akzeptanz der Führungskräfte für die neue Lernkonzeption aufgebaut werden kann. Die Führungskräfte entwickeln dabei bedarfsorientierte Lernkonzeptionen für ihren Verantwortungsbereich, die sie anschließend in ihrer Praxis umsetzen. Dadurch werden mögliche Widerstände in dieser Zielgruppe weitgehend abgebaut. In der Kommunikation mit Lernpartnern und dem begleitenden Kompetenz-Coach wird Sicherheit aufgebaut. Gleichzeitig wird durch den intensiven Austausch und die Diskussion der Ausarbeitungen die Kreativität deutlich erhöht, es entsteht ein gemeinsames Verständnis der Führungskräfte für die gemeinsame Lernkonzeption. Die Teilnehmer nutzen dabei die Instrumente der Sozialen Lernplattform, um ihre eigenen Lernprozesse und die Konzeptionsentwicklung zu gestalten. Es entsteht eine Community of Practice der Führungskräfte zu ihrer Rolle als Entwicklungspartner, d.h. Coach und Mentor, ihrer Mitarbeiter.

[1] Koping System – Die Lerner sollen befähigt werden, ihre Praxis als Mitarbeiter oder Führungskraft zu bewältigen. In kleinen Gruppen sollen sie sich im gegenseitigen Austausch, also kommunikativ und in der Form „kleiner Netze“, in ihrer Entwicklung unterstützen.

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