Eine starke Kultur kann ein echtes Hindernis darstellen, wenn sie nicht zur Strategie passt.
Groysberg et. Al. 2018 S. 29
Die Werte auf Organisationsebene und die Performanz der Unternehmung bilden sich in einem eigenen, organisationsübergreifenden Prozess heraus. Wenn sich eine Organisation entwickelt, dann verändert sie ihren Rahmen bzw. ihre Struktur, d.h. ihre Fähigkeiten und ihr konkretes Tun. Organisationale Entwicklung muss deshalb bei der Gestaltung der erforderlichen Strukturen und Rahmenbedingungen ansetzen. Es entwickelt sich das „Ganze“ – und das ist bekanntlich nicht die Summe seiner Teile, sondern etwas anderes. (vgl. Radatz 2011 90 ff.)
Veränderungsprojekte, die nur auf die Ausformulierung von hehren Leitbildern und Grundsätzen beruhen, können allein keine Veränderung auslösen. Die Mitarbeiter sehen, dass auf die proklamierten Wertelisten keine Taten folgen und es macht sich Zynismus breit. Deshalb schaden solche Kulturinitiativen oft mehr, als dass sie nutzen. (vgl. Ibold et. a. 2018).
Die Anpassung des Systems „Organisation “ erfordert deshalb ganzheitliche Konzepte, die nicht einseitige, isolierte Lösungen anstreben. In diesem Zusammenhang muss insbesondere die Selbstorganisation der Organisationsmitglieder, die ihre Potenziale und ihr Wissen einbringen, gefördert werden. Organisationales Werte- und Kompetenzmanagement hat dabei das Ziel, die Werte der Organisation und die Kompetenzen der Mitarbeiter im Sinne der Unternehmensstrategie zu verändern, auch wenn diese im Widerspruch zu den individuellen Werten stehen.
Organisationales Werte- und Kompetenzmanagement ist ein geplanter, gelenkter und systematischer Prozess mit dem Ziel, die organisationalen Werte und damit die Unternehmenskultur sowie die Kompetenzen der Mitarbeiter in dem sozialen System Organisation von innen heraus zu optimieren, damit die strategischen Unternehmensziele erreicht werden.
Das unternehmensweite Werte- und Kompetenzmanagement leitet sich direkt aus den strategischen Anforderungen ab. Deshalb kommt der oberen Führungsebene eine zentrale Bedeutung als Initiator und Begleiter von Prozessen des Werte- und Kompetenzaufbaus in der Organisation zu. Das Top-Management initiiert das organisationsweite Werte- und Kompetenzmanagement und sichert den Rahmen für eine erfolgreiche Umsetzung. Gleichzeitig macht es die hohe Bedeutung der Werte und Kompetenzen für den Erfolg der agilen Organisation deutlich.
Im Einzelnen werden diese Bereiche definiert:
- Die Strategievorgaben machen deutlich, welche Ziele die Organisation mittel- und langfristig erreichen will und welche grundlegenden Anforderungen sich daraus für die organisationalen Werte und die Kompetenzen der Mitarbeiter aus Sicht der oberen Leitung ergeben.
- Die Prozessvorgaben begrenzen die relevanten Anwendungsbereiche und damit das Entstehen organisationaler Werte. Es ist deshalb zu definieren:
- Welche Themenbereiche sollen für die Werte- und Kompetenz-Entwicklungsprozesse bevorzugt gewählt werden?
- Welche „Spielregeln“ sind bei diesen Prozessen grundsätzlich einzuhalten?
- Die Kommunikationsvorgaben legen fest, wie die Kommunikation der organisationalen Werte und der Kompetenzanforderungen in der Organisation grundsätzlich erfolgen soll.
Im nächsten Schritt hat die Geschäftsführung die Aufgabe zu lösen, die notwendige Struktur für ein für ein systematisches organisationales Werte- und Kompetenzmanagement zu schaffen. Dafür müssen ausreichende personelle, technische und räumliche sowie finanzielle Ressourcen zur Verfügung gestellt werden.
Die obere Führung hat eine Signalfunktion für die Werte- und Kompetenzentwicklungs-Prozesse auf allen Ebenen. Führungskräfte handeln nicht einfach, sie inszenieren ihr Handeln und versehen es mit Deutungs- und Regieanweisungen (vgl. Neuberger 2002, Stiefel 1999). Das Ziel ist dabei, dass die obere Leitung möglichst viele Anlässe zur Kommunikation mit den Mitarbeitern nutzt, um organisationale Werte die Kompetenzanforderungen zu thematisieren, und ihr eigenes Handeln danach ausrichten.
Großflächige Veränderungsprojekte in den Bildungsabteilungen versanden häufig in der Alltagsroutine, weil sich die Beteiligten mehr mit dem Abbau von Widerständen als mit Veränderungen des eigenen Handelns und dem Aufbau innovativer Entwicklungssysteme beschäftigen. Die Erfahrungen in Praxisprojekten zeigen, dass die Veränderung bestehender Bildungsabteilungen deshalb meist viel zu lange dauert. Folglich ist es überlegenswert, ob es nicht besser ist, zunächst auf grundlegende Veränderungen im bestehenden Bildungssystem zu verzichten und dafür in einem abgegrenzten Bereich bzw. Projekt die betriebliche Bildung grundlegend neu zu „erfinden“.
Damit wird es möglich, in einer schlanken Start-up-Struktur mit einem agilen Mindset und agilen Methoden ein grundlegend neues Geschäftsmodell der betrieblichen Bildung im Sinne eines Ermöglichungsrahmens für die Mitarbeiter zu entwickeln und zu erproben. Wenn sich die neue Konzeption dann in der Praxis bewährt hat und Akzeptanz aufgebaut wurde, kann mit einem überschaubaren Risiko dieses Modell in einem flächendeckenden Veränderungsprozess auf den gesamten Bildungsbereich des Unternehmens übertragen werden.
Diese „Beiboot-Strategie“ kann im Bereich des Werte- und Kompetenzmanagements wie folgt gestaltet werden. Die Unternehmensleitung schafft für diesen Bereich die Struktur eines systematischen Werte- und Kompetenzmanagements, indem personelle, technische und räumliche sowie finanzielle Ressourcen für dieses agile „Start-up-Projekt“ zur Verfügung gestellt werden. Sie installiert ein Werte- und Kompetenzmanagement-Team, das als Motor der Neugestaltung eingerichtet wird, das die Strategie für diesen ausgewählten Bereich definiert und einen Prozess zur Entwicklung und Erprobung eines innovativen Entwicklungssystems definiert.
Das Werte- und Kompetenzmanagement-Team agiert als Motor des Wertewandels, das die Strategie des Werte- und Kompetenzmanagements definiert und auf Basis der Unternehmensvisionen einen unternehmensweiten Prozess zur agilen Entwicklung verbindlicher Organisationswerte initiiert.
Mit dieser Struktur soll ein dynamischer Prozess der laufenden organisationalen Werte- und Kompetenzentwicklung ermöglicht werden. Insbesondere sind folgende Bereiche zu definieren:
- Definition der Ziele
- Gestaltung neuer Kernprozesse
- Festlegung der Kommunikationsstrukturen
Die obere Leitung definiert über die Strategievorgaben die Ziele des Werte- und Kompetenzmanagements, lässt aber die Handlungsweisen bewusst offen. Die organisationale Werteentwicklung und die Verbesserung der Performanz der Unternehmung erfordern einen regelmäßigen kommunikativen Austausch zwischen der oberen Organisationsleitung und den Mitglieder des Werte- und Kompetenzmanagement-Teams.
Das Werte- und Kompetenzmanagement-Team hat im Einzelnen folgende Aufgaben zu erfüllen:
- Steuerung des Prozesses zur Entwicklung der Mission der angestrebten Unternehmenswerte bzw. Unternehmenskultur sowie der Performanz der Unternehmung
- Analyse der aktuellen Organisationswerte (Ist-Werte) und Werte- und Kompetenzmanagements
- Steuerung der Prozesse zur Definition der organisationalen Soll-Werte
- Initiierung einer organisationsweiten Kommunikation über die entwickelten Entwicklungs-Lösungen, z. B. über einen MOOCathon
- Konzeption, Umsetzung und laufende Pflege des Ermöglichungsrahmens für den Werte- und Kompetenzaufbau
- Initiierung einer agilen Entwicklungskultur mit dem Ziel der Werte- und Kompetenzentwicklung
- Initiierung der Kompetenzentwicklung der mittleren Führungskräfte als Wertemanager ihrer Teams und Mitarbeiter
- Initiierung der Werte- und Kompetenzentwicklung auf Teamebene, z. B. über Korridorthemen
- Initiierung der Kompetenzentwicklung der Prozessbegleiter auf der Ebene der individuellen Werteentwicklung (Learning Professionals)
- Initiierung des Aufbaus von Werten, Kompetenzen und Performanz auf individueller Ebene
- Begleitung der Veränderungsprozesse sowie der Entwicklungsprozesse auf individueller, teambezogener und organisationaler Ebene, z. B. über Pilotprojekte
- Evaluation und laufende Optimierung der Entwicklungsarrangements
Eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg des Werte- und Kompetenzentwicklungs-Projektes ist eine hohe, organisationsweite Transparenz über
- die Bedeutung des Werte- und Kompetenzmanagements auf allen Ebenen für die Organisation,
- die Ziele des individuellen, des teambezogenen und des organisationalen Werte- und Kompetenzmanagements,
- die definierten Rahmenbedingungen der Entwicklungs-Prozesse,
- das Zustandekommen dieser Anforderungen,
- die Struktur für ein systematisches organisationales Wertemanagement,
- die jeweiligen Prozesse des Werte- und Kompetenzmanagements auf den einzelnen Ebenen,
- die Kommunikation und Dokumentation der Ergebnisse.
Dabei ist es eine wesentliche Anforderung, allen Mitarbeitern und Führungskräften die Möglichkeit zu geben, sich über die Antworten auf diese Fragen zu informieren und ihre eigene Sicht, ihre Erwartungen oder Befürchtungen, einzubringen und über alle Hierarchieebenen zu diskutieren.
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