Gezielte Werteentwicklung von Mitarbeitern 

Wertentwicklung auf individueller Ebene erfolgt selbstorganisiert im Prozess der Kompetenzentwicklung

Die Werte- und Kompetenzforschung zeigt, dass der ausgelöste emotionale Spannungszustand, die „emotionale Labilisierung“, die entscheidende Voraussetzung jeder Interiorisation von Werten und damit dem Aufbau von Kompetenzen ist: Je größer das emotionale Gewicht, desto tiefer werden die zur Auflösung der Dissonanzen[1] führenden Werte später im „Grund der Seele“ verankert. Diese bestimmen wiederum die Handlungen in vergleichbar herausfordernden Situationen.

Deshalb ist Werte- und Kompetenzentwicklung in Seminaren nicht möglich.

Die Werteentwicklung von Persönlichkeiten erfolgt vielmehr nach folgenden Grundsätzen:[2]

  • Werte sind Ordner, welche die menschliche Selbstorganisation bestimmen oder maßgeblich beeinflussen.
  • Es gibt vier alles beherrschende Grundwerte – Genusswerte, Nutzenwerte, ethisch-moralische Werte und sozial – weltanschauliche Werte, die sich jeweils in vier Werte gliedern
  • Werte sind allgegenwärtig. Das Leben selbst und damit auch die Arbeit sind wertungsgewinnende Prozesse.
  • Werte sind nicht wahr oder falsch, sondern Problemen und Situationen mehr oder weniger angemessen
  • Worte allein bewirken in der Werteentwicklung nichts, sondern erfolgt immer nur mit bewussten Emotionen oder besser noch mit unbewussten Emotionen.
  • Die Werteverankerung ist umso größer ist, je größer die Labilisierung, d. h. im emotionalen Sinn das Erleben und Bewältigen von Widersprüchlichkeiten oder Verwirrungen.
  • Werte- und Kompetenzentwicklung kann auf drei Stufen selbstorganisiert ermöglicht werden.

Bei der Praxisstufe handelt es sich immer um ein Handlungslernen im Arbeitsprozess oder auch im sozialen Umfeld, etwa bei der Lösung von Konfliktsituationen. Für die Kompetenzentwicklung auf der Praxisstufe sind vor allem folgende Lernformen typisch:

  • Erfahrungslernen: Werte werden stets erfahren, nicht „bloß gelernt“. Nur die Wissens- und Kenntnisanteile von Erfahrungen lassen sich weitergeben, nicht die Erfahrungen desjenigen, der sie gewann. Erfahrungen kann jeder nur selbst machen.
  • Erlebnislernen: Erlebnisse liefern die Momente der emotionalen „Labilisierungen“ unter denen nicht nur Sachwissen gelernt, sondern Emotionen angeregt, Motivationen ausgeprägt und Werthaltungen entwickelt werden.
  • Subjektivierendes Handeln: Baut auf den Erfahrungen und Erlebnissen einzelner Menschen auf und spielt in realen beruflichen Tätigkeiten und damit letztendlich auch für die Wissens- und vor allem Wertvermittlung eine stark zunehmende Rolle.
  • Expertiselernen: Das Resultat der besprochenen Lernformen. Expertise ist das, was Könner zu Könnern macht. Einziger Indikator für ihre Könnerschaft ist ihre Leistung beim Ausüben einer Tätigkeit.

Die Coachingsstufe ergänzt die Praxisstufe der Werte- und Kompetenzentwicklung. Der Begriff Coaching hat ebenso viele Spielarten wie der Kompetenzbegriff.

Wir verstehen unter Coaching die Beratung und Begleitung einer Person (Coachee, Gecoachter) oder mehrerer Personen durch eine oder mehrere andere (den Coach, die Coaches), die den Gecoachten bei der Ausübung von komplexen Handlungen befähigen, optimale Ergebnisse selbstorganisiert hervorzubringen.

Damit greifen wir den Ansatz des Peer Working und Peer Learning auf. Das heißt nichts anderes, als zu ermöglichen, Selbstorganisationsfähigkeiten des Handelns, also Kompetenzen zu entwickeln.

Folgerichtig stärkt Coaching in beruflichen Entwicklungsprozessen die Fähigkeit der Mitarbeiter zur Selbstorganisation im Sinne einer „Hilfe zur Selbsthilfe“. Es handelt sich überwiegend um arbeitsbezogene Selbstreflexion. Sie kann von Person zu Person, aber auch im Netz erfolgen.

Das Coaching, die Begleitung von Werte- und Kompetenzentwicklungsprozessen durch Lernbegleiter erfolgt in mehreren Schritten, die teilweise oder ganz im Netz erfolgen können (ebenda S. 69):

  • Für die Transfer- und Praxisaufgaben Werte- und Kompetenzentwicklungsziele klären und den individuellen Entwicklungsbedarf festlegen
  • Mögliche Wege der Werte- und Kompetenzentwicklung im Rahmen der Transfer- und Praxisaufgaben bewerten und auswählen,
  • Entwicklungsgespräche mit dem Lernbegleiter initiieren und evtl. unterstützen
  • Herausforderungen im Arbeitsprozess oder in Praxisprojekten, in denen die angestrebten Werte und Kompetenzen aufgebaut werden können, als Transfer- oder Praxisaufgaben identifizieren
  • Die personalisierte Werte- und Kompetenzentwicklung für die Transfer- und Praxisaufgaben planen und umsetzen
  • Den Werte- und Kompetenzentwicklungs-Prozess beobachten und unterstützen
  • Über Lernklippen helfen
  • Auswertungsgespräche führen.
  • Den Werte- und Kompetenzentwicklungsprozess und seine Ergebnisse dokumentieren, gemachte Erfahrungen weitergeben.

Die Trainingsstufe kann an die vorgenannten Lernformen anknüpfen. Kompetenztraining unterscheidet sich dabei grundlegend von den Trainingsformen im Rahmen formeller Lernprozesse. Trainings mit Fallstudien oder Rollenspiele können niemals die emotionalen Herausforderungen, der z. B. ein Kundenberater in schwierigen Beratungsgesprächen ausgesetzt ist, wiederspiegeln. Wir betrachten deshalb Kompetenztrainings als eine besondere Art von beabsichtigter Kompetenzentwicklung, die auf die Praxis, auf die Wirklichkeit setzt.

Voraussetzung der Kompetenzentwicklung auf der Trainingsstufe ist, dass die Lerner reale Herausforderungen, z.B. „echte“ Beratungen in Praxisprojekten oder in Praxisanwendungen, zu bewältigen haben und dabei von einem Lernpartner oder dem Lernbegleiter beobachtet und bewertet werden.

Die Methoden der gezielten Werteentwicklung von Mitarbeitern ist kaum zu überschauen. Orientiert man sich am Grad der emotionale Labilisierung, ergibt sich folgende Struktur:

  • Die gezielte Werteentwicklung in der Praxis, in der modernen Arbeitswelt, hat mit Abstand die größte Bedeutung. Sie findet im Regelfall im Rahmen von Kompetenzentwicklungs-Maßnahmen und zunehmend auch im Netz statt. Ein typisches Beispiel dafür ist Job Rotation.
  • Die gezielte Werteentwicklung durch Coaching und Mentoring folgt an zweiter Stelle und ergänzt meist die Werteentwicklung in der Praxis. Zunehmende Bedeutung gewinnt hierbei das Co-Coaching, eine gegenseitige, überwiegend gleichberechtigte Kollaborations- und Kommunikationsbeziehung der Mitarbeiter.
  • Die gezielte Werteentwicklung durch Trainingsformen, jedoch nur in realitätsgleichen Herausforderungen, schließt sich an. Beispiele dafür sind Trainingsunternehmen, Outdoortrainings oder Seitenwechsel®.
  • Die gezielte Werteentwicklung durch einige wenige Formen der Weiterbildung ist vielleicht möglich, wenn es gelingt, einen hinreichenden Grad emotionaler Labilisierung herzustellen, aber das gelingt den wenigsten. Ein möglicher Ansatz ist „Nudging“, kleine „Stupser, die das Handlen beeinflussen, aber nicht einschränken. Auch die Kunst bietet eine Reihe von Ansätzen zur gezielten Werteentwicklung.

In unserem neuen Buch „Wertungen. Werte. Das Buch der gezielten Werteentwicklung von Persönlichkeiten“[3] haben John Erpenbeck und ich die relevanten Methoden der Werteentwicklung zusammen getragen und beschrieben.

Mehr Informationen zu KODE®W und zur Kompetenzentwicklung zum „Zertifizierten KODE®W Berater“ finden Sie unter www.kodekonzept.de/.

[1] Dissonanzen sind innere Widersprüche, Erfahrungen und Informationen, die zur persönlichen Einstellung oder getroffenen Entscheidungen im Widerspruch stehen.

[2] Erpenbeck, J. & Sauter, W. (2019): Wertungen. Werte. Das Buchd er gezielten Werteentwicklung von Persönlichkeiten, Springer Berlin

[3] Erpenbeck, J. & Sauter, W. (2019): Wertungen, Werte. Das Buch der gezielten Entwicklung von Persönlichkeiten. Springer Berlin

Photo by Austin Distel on Unsplash

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