Kompetenzen – aber wie?

Nach dem kanadischen Pädagogen George Siemens findet das Lernen immer mehr im Netz statt. Deshalb habe ich vergangene Woche die Chance genutzt, an der jährlichen Sitzung des Industriearbeitskreises Kompetenzmanagement teilzunehmen. Es war beeindruckend, wie am Beispiel aus der Automobilindustrie die Notwendigkeit zur Entwicklung von Kompetenzen sehr gut nachvollziehbar aus der Unternehmensstrategie abgeleitet und mit innovativen Methoden diskutiert wurde. Doch dann war ich sehr erstaunt, weil in den schönen Folien als Maßnahme für die Kompetenzentwicklung eine Reihe von Qualifikationsmaßnahmen, insbesondere Seminare, dargestellt wurden.

Es scheint so zu sein, dass wir uns nur schwer von den jahrzehntelang eingeübten Ritualen lösen können. Lernen findet in unseren Köpfen überwiegend im Seminar statt, obwohl wir spätestens seit den Untersuchungen von Livingston wissen, dass in den Betrieben etwa 80 % des Lernens informell stattfindet. Trotzdem ist in uns offensichtlich der Glaube fest verankert, dass auf der Basis eines gut gemachten Seminars die Kompetenzentwicklung in der Praxis irgendwie schon erfolgen wird. Hat der Lerner das Glück, dass er dort auf Kollegen trifft, die ihn gerne bei seiner Kompetenzentwicklung begleiten, klappt das ja auch. Häufig wird dies aber nicht geschehen, weil die Kollegen keine Zeit oder keinen „Nerv“ haben, den Lerner aktiv zu begleiten.

Können wir es uns wirklich erlauben, die Kompetenzentwicklung der Mitarbeiter dem Zufall zu überlassen? Ich denke, Lernmaßnahmen in Unternehmen müssen die Kompetenzentwicklung der Mitarbeiter systematisch ermöglichen. Deshalb müssen reale Herausforderungen und der Austausch von Erfahrungswissen von Anfang an in die Lernprozesse integriert werden. Diese Schwerpunktverlagerung bedingt wiederum, dass die Wissensvermittlung nicht das Ziel der Weiterbildung ist, sondern die notwendige Voraussetzungen für die Umsetzung in der Praxis schafft. Da die Kompetenzentwicklung nur selbstorganisiert durch die Lerner erfolgen kann, benötigen wir eine „Ermöglichungsdidaktik“, wie sie von Arnold beschrieben wurde. In dieser Lernkultur, die durch einen hohen Grad an Eigenverantwortung gekennzeichnet ist, bietet es sich wiederum an, auch die Wissensvermittlung in die Selbststeuerung der Lerner und ihres Lern-Netzwerks zu legen. Damit gewinnen neue Medien und Social Software an Bedeutung.

Dieser Paradigmenwechsel erfolgt nicht über brillante Präsentationen, die ein Experte vor den Trainern hält. Vielmehr müssen die Bildungsverantwortliche solche auch für sie neuartigen Lernprozesse als Lerner selbst erleben, um auf der Basis dieser Erfahrungen ihre eigenen kompetenzorientierten Lernlösungen zu schaffen. Ein Veränderungsprozess ist notwendig. Es ist wohl noch ein langer Weg, bis aus der Erkenntnis der Notwendigkeit von Kompetenzen auch die Konsequenzen für das Arrangement der Lernkonzeptionen folgt.

Ihr

Werner Sauter

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