Kompetenzlernen im Netz mit Social Software

Der Ansatz des Konnektivismus, den ich vergangene Woche in meinem Blog diskutiert habe, setzt einen intensiven Austausch von Erfahrungswissen in Netzwerken voraus. Lernen in Netzwerken wird durch soziale und kulturelle Aspekte, aber auch die Systeme, geprägt. Wissen entsteht aus gemeinsamen Aktivitäten und den Interaktionen der Netzwerkmitglieder, die Lernprozesse sind selbst organisiert, d.h. die Lerner formulieren gemeinsam Lernziele, legen die Inhalte fest, tauschen ihr Erfahrungswissen aus und entscheiden gemeinsam, sie verknüpfen neu erworbenes Wissen mit ihrem bisherigen Wissensschatz, bewerten dieses und ordnen es auf der Basis ihrer bisherigen Erfahrungen. Lernen in Netzwerken erfolgt in einem kulturellen Austausch, der durch die Lerner strukturiert und geformt wird, es verbindet sowohl intellektuelle als auch soziale Prozesse und fördert damit die Kompetenzentwicklung.

Damit Lernen in Netzwerken erfolgreich sein kann, sind mehrere Voraussetzungen zu erfüllen. Die Kommunikation erfolgt ohne Begrenzung, z.B. durch Hierarchien, Problemstellungen der Teilnehmer werden konsequent gemeinsam in realen oder virtuellen Netzwerktreffen gelöst, das Lernsystem ist offen für neue Lösungen, Alternativen und „Querdenken“, regelmäßig erfolgen Reflektionen über die Lernfortschritte, den Aufbau einer dauerhaften Vertrauensbasis zwischen allen Beteiligten und informelle Kommunikation wird ermöglicht. Deshalb wird eine Lernumgebung benötigt, über die Netzwerke ihre Erfahrungen austauschen, bewerten und gemeinsam weiterentwickeln können.

Kompetenzzentriertes E-Learning im Web 2.0 hilft Menschen, online zusammenzuarbeiten und Informationen zu teilen; insofern ist auch die Bezeichnung Social Software voll zutreffend. Warum kann aber gerade Social Software Kompetenzlernen fördern? Während im „klassischen“ E-Learning mit Web 1.0 die Wissensvermittlung und –verarbeitung im Vordergrund steht, hat kompetenzorientiertes E-Learning zum Ziel, die Fähigkeit zur selbstorganisierten und kreativen Problemlösung in der Praxis zu fördern. Die Trennung von Experten und Lernern wird aufgehoben, weil alle Beteiligten ihr Erfahrungswissen einbringen, Inhalte bewerten und sich mit unterschiedlichen Sichten und Anschauungen auseinandersetzen. Statt rückgekoppelter Monologe entsteht eine lebendige Kommunikation im Netzwerk, bei der das Wissen gemeinsam weiter entwickelt wird. Sowohl Lernbegleiter als auch Lernende pflegen eine wertende Selbstreflexion. Die Grundlage der Lernprozesses bildet nicht mehr allein das Wissen der Experten, sondern die wertende „Weisheit des Netzwerkes“. Die Inhalte sind dabei eher dynamisch und wertend (z.B. in Wikis) oder meinungsorientiert (z.B. in Blogs), aber auch tendenziell kleiner und überschaubarer („microcontents“). Social Software ist durch Offenheit gegenüber Veränderungen und Wertungen der Lerner geprägt, laufende Veränderungen sind ein wesentliches Merkmal. Dadurch entwickelt sich das „Netzwerk-Gedächtnis“ aus dem Erfahrungswissen der Lerner und ihre Interessen werden voll berücksichtigt.

Da Kompetenzentwicklung auf der Selbstorganisation der Lerner gründet, eignet sich Social Software in idealer Weise, diese Lernprozesse zu ermöglichen. Da die meisten Lerner über viele Jahre oder Jahrzehnte durch „klassische“ Lernsystem geprägt wurden, wäre es naiv zu glauben, dass die Bereitstellung von Social Software zu einem intensiven Austausch von Erfahrungswissen führen würde. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass wir die Lerner in ihrer gewachsenen Lernkultur abholen müssen. Bewährt haben sich hierbei Kombinationen aus Blended Learning für die Wissensvermittlung und –verarbeitung mit praxis-/projektorientiertem Lernen, bei dem die Lerner ihr erfahrungswissen über Blogs oder Wikis mit ihren Lernpartnern austauschen und weiter entwickeln. Wir beobachten hierbei immer wieder, dass am Anfang die Konzentration der lerner vor allem auf das formelle Lernen, z.B. mit Web Based Trainings gerichtet ist, während die zu bearbeitenden, realen Projekte in der Kommunikation eher eine untergeordnete Rolle spiele. Im Laufe der Lernprozesse verändern sich jedoch die Gewichte grundlegend, das Web Based Training wird zunehmend als Hintergrundwissen gezielt genutzt, während die Lösung der praktischen Problemstellungen immer mehr in den Vordergrund rückt.

Ihr

Werner Sauter

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