Konnektivismus – Lernen im Netz

In unseren Projekten erlebe ich zunehmend, dass wir uns mit der Forderung auseinandersetzen, das Lernen in Netzen bzw. in Netzwerken zu fördern. George Siemens entwickelte vor wenigen Jahren eine pragmatische Lernkonzeption, die die veränderten Lernbedingungen aufgrund der technologischen Entwicklung, die wachsende Vernetzung sowie den „Informations-Overkill“ aufgrifft. Er misst dabei dem Lernen im und durch das Netz(-werk) eine zentrale Bedeutung bei: „learning as network creation“. Deshalb hat er für seine Lerntheorie den Begriff „Connectivism“ ( dt. „Konnektivismus“) geprägt (Siemens, G. 2006). Unser Lernen verändert sich jedoch nicht nur aufgrund moderner Lerntechnologie. Hinzu kommen insbesondere folgende Ursachen (vgl. Siemens, G. 2006): Lernen und arbeitsbezogene Aktivitäten sind immer öfters identisch, unser Denken und Handeln verändert sich, weil wir immer mehr technische Hilfsmittel nutzen, es wird immer wichtiger, zu wissen, wo ich Wissen finde und wie ich es für meine Problemlösungen nutzen kann.

Laut Siemens werden deshalb Behaviorismus, aber auch Kognitivismus und Konstruktivismus den Veränderungen in Gesellschaft und Wirtschaft nicht mehr gerecht. Diese basieren auf der Annahme, dass Lernen entweder durch Begründung oder durch eigene Erfahrungen erfolgt. In der globalisierten Welt und der damit verbundenen, vernetzten Wissensgesellschaft ist es aber noch weniger als früher möglich, alle benötigten Erfahrungen selber zu machen. Hinzu kommt, dass unser Wissen exponentiell wächst. Mit der sinkenden Halbwertzeit des Wissens hat sich gleichzeitig auch die Art zu Lernen zu kommunizieren grundlegend verändert. Lernen erfolgt im Wechselspiel zwischen dem Individuum und seiner Umwelt und ist grundsätzlich an den Kontext gebunden. Den größten Teil unseres Wissens bekommen wir durch dritte Personen, durch Organisationen oder über Datenbanken. Lernen ist damit ein Prozess, der nicht nur von der eigenen Person, sondern auch stark von ihrem Umfeld abhängig ist. Nur wer bedarfsgerechte Netzwerke aufbaut, kann sein Wissen damit immer aktuell und problemgerecht sichern.

Netzwerke sind die Verbindung zwischen verschiedenen Elementen, wie z.B. Menschen, Gruppen oder Computer. Deshalb benötigen Lerner in einem konnektivistischen Lernsystem eine offene Lernumgebung, in der zusätzlich effiziente Interaktionsmöglichkeiten mit Netzwerkpartnern geboten werden. Die Lernen benötigen die Fähigkeit, relevantes Wissen für den Lernprozess zu identifizieren, zu bewerten, zu beschreiben und in einem gemeinsamen Prozess mit Lernpartnern weiter zu entwickeln. Die Lehrenden werden immer mehr die Rolle eines „Mentors“ übernehmen, der aktiv zuhört, beobachtet, Feedback gibt, berät und flankiert. Dabei reflektiert der Trainer nicht nur die Mittel und Methoden der Wissens- und Wertkommunikation, sondern schafft aktiv Entwicklungssituationen, in denen eine optimale Wissensaneignung und Wertinteriorisation möglich werden.

Aufbauend auf dem Ansatz des Konnektivismus sind folgende Grundsätze für diese Lernkonzeption von Bedeutung:

  • Die Entscheidung über die Ziele der Lernprozesse liegt primär bei den Lernern und bildet einen eigenständigen Lernprozess;
  • Im Kreislauf der Kompetenzentwicklung wird das persönliche Wissen des Einzelnen in ein Netzwerk integriert und in einem gemeinsamen Lernprozess unter Nutzung innovativer Technologien weiter entwickelt;
  • Lernen kann damit auch außerhalb einzelner Personen angesiedelt sein (Organisationales Lernen),
  • Das gemeinsame Wissen wird im Netzwerk verteilt und dient allen Mitarbeitern als Lernquelle („cycle of knowledge development“);
  • Lernen ist ein Prozess, bei dem verschiedene Wissensquellen und -knoten miteinander verbunden werden;
  • Lernen umfasst nicht nur Wissensvermittlung oder Qualifikation, sondern auch Werte, Denkhaltungen und Normen sowie ihre Aneignung in Form von Emotionen und Motivation;
  • Die Fähigkeit, immer aktuelles Wissen zu erlangen, ist für die Lerner wichtiger als ihr persönliches Wissen;
  • Es ist wichtiger zu wissen, wo man Wissen finden kann, als die Informationen auswendig zu kennen;

Lernen erfolgt damit in differenzierten Lernarrangements aus formellem und informellen Lernen in Verbindung mit verschiedenen Lernformen, Sozialformen, Medien und vielfältigen Kommunikations- und Dokumentationsmöglichkeiten (Blended Learning).

Konnektivismus ist nach meiner Ansicht keine eigenständige Lerntheorie, sondern eine pragmatische Lernkonzeption, welche die gesellschaftlichen Veränderungen im Lernen von Menschen aktiv aufgreift und konsequent in die geplanten Lernprozesse integriert. Wir nutzen dafür die Möglichkeiten des Austauschs von Erfahrungswissen, z.B. über Blogs, Wikis oder Foren. Instrumente des Web 2.0 („Social Software“) gewinnen immer mehr an Bedeutung, weil sie den Wissensaustausch und die Kompetenzentwicklung in Netzwerken und über das Netz optimal fördern. Konnektivismus ist damit eine Erweiterung der vorherrschenden Lerntheorien, die auf die besonderen Anforderungen der globalisierten Wirtschaft und des digitalen Zeitalters eingeht.

Ihr Werner Sauter

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