Die vielbeschworene Vision des Lebenslangen Lernens baut darauf auf, dass die Menschen die Motivation und die Kompetenz erwerben, eigenständig über ihre gesamte Lebensspanne hinweg zu lernen. Sie umfasst damit alle Gelegenheiten zum Lernen, in Seminaren, mit E-Learning, in Blended Learning Arrangements oder in Sozialen Netzwerken, am Arbeitsplatz oder in Projekten, ein Leben lang. Ist diese Vision wirklich schon in unseren Unternehmen angekommen oder wird sie vor allem in den Reden der Verantwortlichen probagiert?
Selbst die Politik hat diesen Bedarf aufgegriffen. So definiert die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung die Entwicklungsschwerpunkte dieser Strategie wie folgt:
– Einbeziehung informellen Lernens
– Selbststeuerung
– Kompetenzentwicklung
– Vernetzung
– Modularisierung
– Lernberatung
– Neue Lernkultur/ Popularisierung des Lernens
– Chancengerechter Zugang.
Lebenslanges Lernen durchbricht damit die Grenzen vorhandener Lern- und Bildungssysteme sowie strikt aufeinander folgende Schul- oder Hochschulkarrieren. Dazu gehören z.B. Möglichkeiten der Wiedereinstieg in Bildungswege, die Zertifizierung von im Beruf erworbenen, aber nicht formal bescheinigten Kompetenzen sowie innovative Lehr- und Lernformen, die durch Eigenverantwortung und Selbstorganisation geprägt sind.
Bereits heute dominiert in den Unternehmen das informelle Lernen. Viele Untersuchungen zeigen, dass dieses betriebliche Lernen mit zwischen 70 % und bis zu 80 % Anteil an allen Lernformen mit Abstand die größte Bedeutung hat. Insbesondere für jüngere Mitarbeiter ist das informelle Lernen in ihrem Team und in ihrem Netzwerk von überragender Bedeutung. Dieser Anteil wird zukünftig noch weiter zunehmen.
Die betriebliche Bildung konzentriert sich dagegen überwiegend immer noch auf Trainingsmaßnahmen, die in hohem Maße fremdgesteuert sind. Selbstgesteuertes oder gar selbstorganisiertes Lernen spielt in vielen betrieblichen Bildungskonzeptionen immer noch eine eher untergeordnete Rolle. Nimmt man die Vision des Lebenslangen Lernens aber ernst, dann müssen die Personalentwickler vor allem an folgenden „Drehschrauben“ arbeiten:
– Individuelle, strategieorientierte Kompetenzziele statt standardisierter Wissens- und Qualifizierungsziele (Curricula)
– „Ermöglichungsdidaktik“ statt fest vorgegebene Lernpfade
– Selbstorganisation statt Fremdsteuerung
– Lernbegleitung statt Lehre
– Konsequente, zielorientierte Nutzung innovativer Lerntechnologien
Dies bedeutet die Aufgabe liebgewonnener und vordergründig erfolgreicher Lernkonzepte und jahrzehntelang entwickelter Lernmaterialien, einen grundlegenden Kulturwandel im betrieblichen Lernbereich und eine fundamental veränderte Rolle der Personalentwicklung, der Führungskräfte und der Mitarbeiter. Dies erklärt zu einem großen Teil das hohe Beharrungsvermögen im betrieblichen Bildungssektor. Deshalb benötigt man für Innovationen in diesem Bereich einen sehr langen Atem…
Ihr
Werner Sauter