In der Zeit 18/2013 hat der Herausgeber Josef Joffe, den ich sonst sehr schätze, zum Thema „Der digitale Dozent“ vermeintlich über MOOC geurteilt. Deshalb habe ich ihm nachstehenden Leserbrief geschrieben:
Sehr geehrter Herr Joffe,
Ihre Kommentare, vor allem zu außenpolitischen Themen, lese ich immer mit sehr viel Gewinn. Ihr letzter Kommentar in der Zeit 18/2013 zum Thema „Der digitale Dozent“ ist Ihnen dagegen leider vollständig misslungen, weil Sie sich offensichtlich nur sehr oberflächlich mit dem Thema „MOOCs“ beschäftigt haben. Anders formuliert, Sie haben das Prinzip und den Paradigmenwechsel, der hinter den MOOCs steht, schlicht nicht begriffen.
So verwechseln Sie Open Educational Resources, z.B. die Vorlesungen des MIT, mit dem Ansatz des MOOC. Ein MOOC ist gerade nicht die „Fortführung der uralten Vorlesung mit anderen Mitteln – wo der eine doziert und der andere notiert“. Ich will nicht belehrend sein, trotzdem erlauben Sie mir, Ihnen den Unterschied aufzuzeigen, damit Sie nicht wieder in die gleiche Falle tappen.
Obwohl Sie als Aufhänger den Begriff MOOC mehrfach nennen, sprechen Sie im Kern nur von Open Educational Resources (OER). Dies sind digitalisierte Lehr- und Lernmaterialien, z.B. Vorlesungen, die im Internet zur freien Verfügung stehen. Dass die fragewürdige Methode der Vorlesung nicht dadurch besser wird, dass man sie ins Netz stellt, sehe ich genauso wie Sie. Trotzdem begreife ich es als großen Fortschritt, dass ich heute die Möglichkeit habe, auf solche Quellen zuzugreifen, die ich ohne das Internet niemals verfügbar hätte.
Ein MOOC (Massive Open Online Course) ist dagegen ein „Ermöglichungsrahmen“ im Netz, der selbstorganisiertes und kollaboratives Arbeiten und Lernen möglich macht. Im universitären Bereich stehen MOOCs ebenfalls jedem Interessenten ohne Kosten offen. Der Begriff „massive“ bezieht sich hierbei auf die angestrebte, aber nicht immer erreichte, große Zahl der Teilnehmer. Die Lerner können in diesem Rahmen auch OER nutzen. Das Konzept sieht regelmäßige Input-Phasen, die zur Diskussion anregen, sowie Elemente zur Vertiefung und Weiterbearbeitung der Inhalte im Netz vor. Die Lerner organisieren sich selbst online und legen gemeinsam die Ziele und wechselnde Themen, aber auch die Tiefe ihrer Bearbeitung, fest. Das primäre Ziel ist nicht, das Wissen einzelner Lerner, sondern das Wissen des Netzwerkes zu entwickeln. Damit baut diese Lösung auf den Ansatz des Konnektivismus, nach dem das Lernen im Netz(-werk) stattfindet. Damit steht das gemeinsame Lernen der Teilnehmer miteinander, ihre Kommunikation und das kollaborative Arbeiten im Netz, im Vordergrund. Experten, also Dozenten oder Trainer, werden bei Bedarf oder als Moderator mit hinzu gezogen.
Damit ergibt sich ein Paradigmenwechsel in der Verantwortung für den Lernprozess und die Rollen der Beteiligten. Das Lernen wird offen und vernetzt! Dies kommt in Ihrem Kommentar überhaupt nicht zum Ausdruck.
Zwischenzeitlich gibt es vielfältige Formen von MOOC. Sie besitzen meist eine feste Agenda mit verschiedenen Themen, die im Wochenrhythmus wechseln. Häufig geben die Gastgeber Lektüreempfehlungen für die einzelnen Themen, organisieren regelmäßige Live-Events mit Referenten und schlagen den Teilnehmenden konkrete Aktivitäten und Aufgaben vor, um sich mit dem Thema der Woche auseinanderzusetzen. Da diese von der Aufgabe der Wissensvermittlung entlastet werden, besteht deshalb eine sehr gute Chance, „das vitale Mit- und Gegeneinander“ , wie Sie es zu Recht fordern, zu erleben. Wo bitte gibt esVorlesungen oder überfüllte Seminare, in denen dies tatsächlich möglich ist?
MOOCs entstanden überwiegend im universitären Bereich. Ich bin jedoch davon überzeugt, dass MOOCs bereits Elemente einer Lernlandschaft beinhalten, die in der Zukunft auch die betrieblichen Lernsysteme prägen werden. Es stellt sich damit die Frage, welche Merkmale von MOOC betriebliche Lernkonzeptionen voranbringen können. Beispielhaft habe ich Ihnen in Anlehnung an Höfer (Höfer, M. L. (2013) S. 65 – 69) die Agenda eines innerbetrieblichen MOOC („Corporate MOOC“) eingefügt, die zeigt, dass MOOCs eine Ermöglichungsrahmen bilden, in dem kollaboratives Lernen und Arbeiten möglich wird. Dieses Lernen liegt in der Verantwortung der Mitarbeiter, die den vorgegebenen Ermöglichungsrahmen nutzen, und bei Bedarf auf Experten zugriefen.
Startphase |
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Orientierungsphase |
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Ordnungsphase |
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Phase der Problemlösung |
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Phase der Wissensteilung |
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In den Workshops, meist mit Experten oder Coaches, die jeweils auf die selbst organisierten Lernphasen folgen, bringen die Teilnehmer offene Fragen aus Transferaufgaben und ihren Praxisprojekten ein und präsentieren ihre Lösungen zu komplexen Gruppenaufgaben, die sie z.B. in Lerngruppen erarbeitet haben.
Die Konzepte der MOOCs sind noch in der Anfangsphase, bieten aber nach meiner Einschätzung viel Potenzial. Das Lernen wird damit erheblich spannender und bedarfsgerechter…