An diesem Wochenende habe ich mich u.a. mit der Neuauflage des Handbuches E-Learning von Patricia Arnold u.a. beschäftigt.
E-Learning wird seit etwa zwei Jahrzehnten in verschiedenen Entwicklungsstufen praktiziert. Stand am Anfang des E-Learning die Wissensvermittlung, zunächst offline über CBT – Computer Based Trainings – danach online über WBT – Web Based Trainings – im Vordergrund, entwickelten sich ab der Jahrtausendwende Blended Learning Konzeptionen, in denen Lehr- und Lernformen, Sozialformen und Medien bedarfsgerecht auf die Zielsetzung und die Lernkultur hin konzipiert wurden. Kompetenzzentriertes E-Learning im Web 2.0 baut nunmehr auf eine zweite Generation von WWW Services („Social Software“), die Menschen hilft, online zusammenzuarbeiten und Wissen zu teilen. Es setzt auf die Emanzipation der Lerner, die ihr Erfahrungswissen z.B. über Blogs und Wikis, aktiv einbringen und gemeinsam weiter entwickeln.
Deshalb sind bedarfsgerechte Lernkonzeptionen der entscheidende Erfolgsfaktor für E-Learning Angebote. Die informations- und kommunikationstechnischen Innovationen bilden lediglich die Voraussetzungen, um die für erfolgreiches Lernen im virtuellen Raum erforderliche pädagogische Infrastruktur zu schaffen. Das Ziel ist, selbst organisiertes kooperatives Lernen zu ermöglichen.
Das neue Handbuch verfolgt mehrere Ziele:
• Das Thema „Virtuelle Bildungsangebote“ soll aus den Blickwinkeln der verschiedenen Akteure sowie deren Koordination und Zusammenwirkens behandelt werden,
• die Darstellung soll durchgängige anwendungsorientiert auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse erfolgen,
• es soll konsequent aus einer didaktischen Perspektive aller zentralen Handlungsfelder gestaltet werden.
Aus diesem Anspruch leitet sich der etwa 400-seitige Aufbau des Werkes für virtuelle Bildungsangebote ab:
• Grundlagen erfolgreicher Lehr- und Lernprozesse
• Auswahl, Gestaltung, Implementierung und Nutzung virtueller Bildungsräume und persönlicher Lernumgebungen
• Didaktische Konzeptionen zur Förderung ganzheitlicher Handlungskompetenzen
• Mediale Bildungsressourcen vom Web Based Training bis zu Web 2.0 Werkzeugen
• Medienvermittelnde Lehr- und Lernprozesse, der Kommunikation und Kooperation sowie Aufgaben und Kompetenz der Lehrenden, Teletutoren und Lernenden
• Handlungs- und kompetenzorientierte Prüfungen
• Qualitätsmanagement
• Evaluation
• Standardisierung virtueller Bildungsangebote
• Rechtliche Bestimmungen
• Implementierung
Hierbei bilden das erste und das letzte Kapitel den Rahmen für E-Learning: Was sind die Voraussetzungen für E-Learning, wie kann die Nachhaltigkeit der Lernprozesse gesichert werden? Ausdrücklich verzichtet wird auf technische Detailinformationen und Fragen der betriebswirtschaftlichen Kostenrechnung. Ergänzt wird das Werk durch ein stichwortartiges Glossar. Das Literaturverzeichnis gibt einen sehr guten Überblick über die aktuelle Literatur im Bereich des E-Learning. Sehr vermisst habe ich dagegen ein Stichwortverzeichnis, das ich für ein Handbuch als unverzichtbar erachte.
Die inhaltliche Breite und Tiefe des Handbuches bis hin zu Web 2.0 Lerninstrumenten und freien Bildungsressourcen ist beeindruckend. Es erhebt dabei den Anspruch, alle Beteiligten des E-Learning in verschiedenen Anwendungsbereichen, von der Hochschule bis zur betrieblichen Praxis, zu erreichen. Zwangsläufig sind hier jedoch Einschränkungen vorzunehmen. Das Werk ist sicher für den Hochschulbereich sehr gut, für die Praktiker in der betrieblichen Bildung nur bedingt und für Lerner kaum geeignet.
Das Handbuch basiert in erster Linie auf Erfahrungen aus dem Hochschulbereich. Dies schlägt sich in einer tiefen wissenschaftlichen Fundierung der Aussagen, aber auch in einer breiten Darstellung von Erfahrungen, überwiegend im Hochschulbereich, nieder. Die wenigsten Anwendungserfahrungen stammen aus der betrieblichen Praxis. Dies zeigt sich auch darin, dass das „Lehren“ gegenüber dem „Lernen“ einen hohen Stellenwert einnimmt und beispielsweise der Bereich der Prüfung der Lernergebnisse ausführlich behandelt wird. Kompetenzen werden meist auch nicht wie in der beruflichen Bildung heute weitgehend üblich als Problemlösungsfähigkeiten („Selbstorganisationsdispositionen“) verstanden, sondern eher auf der Wissensebene angesiedelt.
Für Anwender in der betrieblichen Bildungspraxis bietet das Werk trotzdem eine Fülle an wichtigen Erläuterungen und Hinweisen, auch wenn der Bereich der Ermöglichung er selbstorganisierten Kompetenzentwicklung in der betrieblichen Praxis deutlich zu kurz kommt. Damit hat es für diese Zielgruppe eher einen ergänzenden Charakter.
Für Dozenten und Lehrende in der Hochschulbildung bietet das Handbuch eine breite und sehr fundierte Darstellung des aktuellen Entwicklungsstandes des E-Learnings, das eine kaum zu überschauende Vielfalt an theoretischen und praktischen Hinweisen enthält. Deshalb empfehle ich dieses Buch eher für Gestalter und Umsetzer innovativer Lernprozesse, die bereits erste Erfahrungen in diesem Bereich gesammelt haben.
Patricia Arnold, Lars Kilian, Anne Thillosen, Gerhard Zimmer: Handbuch E-Learning – Lehren und Lernen mit digitalen Medien
W. Bertelsmann Verlag GmbH & Co. KG Bielefeld, 2. Erweiterte, aktualisierte und vollständig überarbeitete Auflage 2011, ISBN (Print) 978-3-7639-48888-8, ISBN (E-Book): 978-3-7639-4889-5
Ihr
Werner Sauter