In den vergangenen Wochen sind zwei Bücher erschienen, zu denen ich jeweils einen Beitrag leisten konnte.
August Wilhelm Scheer & Christian Wachter (Hrsg.) 2017: Digitale Bildungslandschaften, Saarbrücken, das im Rahmen des 10. Nationalen IT-Gipfels veröffentlicht wurde. Die Zielsetzung des Werkes wird wie folgt beschrieben:
„So wie die Digitalisierung die Art und Weise prägt, wie sich Individuen informieren und wie sie miteinander kommunizieren, hat dies auch einen maßgeblichen Einfluss darauf, wie heute gelernt wird. Wie digital müssen Lernkonzepte heute sein, um modernen Aus- und Weiterbildungskonzepten zu entsprechen?“
In einer Vielzahl von Beiträgen werden die Aspekte Didaktik und Gestaltung von Lernwelten, Kommunikation und Kooperation, Innovative Gestaltung von Lernprozessen sowie Learning Analytics und die Zukunft des Lernens behandelt.
Mein Beitrag hat den Titel „Cloud Learning – Lernen in einer Welt kluger Wolken und sinnsuchender Netze“. Darin versuche ich deutlich zu machen, dass die immer umfassendere Nutzung des Cloud Computing im Lernbereich den bisher schon existierenden Trend von „Micro-Learning“, „Mobile-Learning“ oder „Workplace Learning“ auf qualitativ neue Weise fortsetzt. Cloud Learning ist dabei aber keine neue Lernkonzeption, erweitert jedoch die Möglichkeiten und Chancen von Bildungssystemen erheblich. Mit Cloud Learning wird selbstorganisierte Kompetenzentwicklung im Prozess der Arbeit unabhängig von Ort und Zeit ermöglicht. Es ist damit in Verbindung mit Mobile und Micro Learning die Grundlage für die zukünftige Kompetenzentwicklung im Netz. Dadurch können kollaborative Unternehmen entstehen, in denen Arbeiten und Lernen wieder zusammen wachsen.
Nele Graf und Frank Edelkraut haben Ihr Fachbuch „Mentoring – Das Praxisbuch für Personalverantwortliche und Unternehmer“ in 2. Auflage (2017, Wiesbaden) neu heraus gebracht. Mein Gastbeitrag befasst sich mit dem Thema „Vom Vorgesetzten zum Entwicklungspartner der Mitarbeiter: Coaching und Mentoring in Lernprozessen am Arbeitsplatz und im Netz“.
Ich beleuchte dabei insbesondere die Frage, welche Konsequenzen sich aus kompetenzorientierten Lernsystemen für die Rolle der Führungskräfte ergibt. Kompetenzentwicklung im Unternehmen ist möglich, aber nur im Sinne einer „Ermöglichungsdidaktik“, die den Mitarbeitern und Führungskräften ein Lernsystem bietet, in dem sie ihre Kompetenzen selbstorganisiert und personalisiert im Rahmen realer Herausforderungen in der Praxis entwickeln können. Damit übernehmen die Führungskräfte die Rolle als Entwicklungspartner, d.h. als Mentor ihrer Mitarbeiter. Teilweise bringen sich Führungskräfte auch als Coach ein, um ihre Mitarbeiter bei der Ausübung von komplexen Handlungen zu befähigen, optimale Ergebnisse selbstorganisiert hervorzubringen.
Das Ziel des Mentoring ist es, den Entwicklungsprozess der Lerner mit Hilfe des Netzwerkes des Mentors zu intensivieren und die Lernprozesse beratend zu begleiten. In diesen Mentoring-Prozessen liegt der Lerneffekt immer mehr auf dem Transfer von implizitem Wissen des Mentors, der dafür sein Erfahrungswissen einbringt. Dieses Erfahrungswissen ist eine wertvolle Ergänzung zu dem expliziten Wissen, das in diesem Lernsystem genutzt werden kann.
Zusätzlich fördert ein Mentoring die Vernetzung des Lernenden im Unternehmen, insbesondere mit Entscheidern. Umgekehrt erhalten die Mentoren ein eindeutiges Feedback von der Basis und lernen selbst einen anderen Blickwinkel auf die Organisation kennen. Erfahrungsgemäß wirkt sich Mentoring auch bei den Mentoren günstig auf ihr Führungshandeln aus. So wird ein positiver Nebeneffekt für die Organisation realisiert und eine soziale Interaktion über die Bereiche und Hierarchieebenen hinweg erreicht.
Für die Kompetenzentwicklung der Führungskräfte als Entwicklungspartner in innovativen Lernsystemen bietet es sich dabei an, im Rahmen der unternehmensweiten Lernkonzeption ihre eigene Mentoringkonzeption in ihrem Verantwortungsbereich zu konzipieren und anschließend umzusetzen. Um mögliche Widerstände der Führungskräfte so weit wie möglich auszuräumen bzw. Akzeptanz zu generieren, sehen wir vier erfolgsversprechende Eckpfeiler als relevant an.
Akzeptanz durch
- eigene Erfahrungen der Führungskräfte mit dem Lernsystem: Die Zielgruppe erfährt das Lernsystem als Lernende, gleichzeitig reflektiert sie ihre Erfahrungen und wendet sie auf eigene Lernprojekte an („Doppeldecker-Prinzip“),
- Kommunikation, insbesondere auch im Netz, mit allen Beteiligten,
- Lernrahmen, der effizientes Lernen mit dem „Lernpartner Computer“ optimal ermöglicht,
- Optimierte Lernbegleitung im Rahmen eines erweiterten „KOPING-Systems“[1].
In diesem „Doppeldecker-Prinzip“[2] erfahren die Führungskräfte selbstgesteuertes, formelles Lernen in einem Blended Learning Arrangement und selbstorganisierte, projektorientierte Kompetenzentwicklung in einem Social Blended Ansatz und wechseln dabei regelmäßig ihren Blickwinkel. Einmal betrachten sie die Lernkonzeption aus Sicht des Lerners und dann aus Sicht der Führungskraft. Dadurch kann in Laufe der Zeit ein Netzwerk an Führungskräften aufgebaut werden, die sich als Entwicklungspartner in das Corporate Learning einbringen und dadurch Vorbildfunktion im Unternehmen übernehmen.
[1] Koping System: Die Lerner sollen befähigt werden, ihre Praxis als Mitarbeiter oder Führungskraft zu bewältigen. In kleinen Gruppen sollen sie sich im gegenseitigen Austausch, also kommunikativ und in der Form „kleiner Netze“, in ihrer Entwicklung unterstützen.
[2] Vgl. Wahl, D. (3. Erw. Auflage 2013), S. 64 ff.