„Personalentwickler sollten aufhören, Mitarbeiter in Seminare zu schicken.“
John Erpenbeck – Brand Eins 09/2017
Das Thema Lernen (Der Spiegel 39/2017) und Bildung (brand eins 09/2017) hat Konjunktur. In den Wahlprogrammen und auf den Plakaten finden sich wohlklingende Worte dazu. Das Ziel heißt dann „Nr. 1 in Europa“ (SPD) oder „weltbeste Bildung für jeden“ (FDP), das Mittel soll eine „Digitale Bildungsoffensive“ (CDU/CSU) oder eine „Nationale Bildungsallianz“ (SPD) sein. So sollen die Schulen „fit für die Zukunft“ (Grüne) werden, denn „Bildung ist ein Menschenrecht“ (Linke) sowie „die Supermacht des 21. Jahrhunderts“ (FDP) (vgl. Spiegel 39/2017).
Die Bertelsmann Stiftung bewertet unsere Schulen gut eine Woche vor der Wahl: „Die große Mehrheit der Lehrkräfte nimmt die Digitalisierung vor allem als zusätzliche Herausforderung wahr, nur ein kleiner Teil der Lehrerinnen und Lehrer schöpft das didaktische Potenzial digitaler Medien voll aus.“ Es fehle an Konzepten, Weiterbildung, Ausstattung.“. Bezeichnend ist, dass nunmehr Forderungen auftauchen, Programmieren an allen Schulen zum Unterrichtsfach zu machen. Offensichtlich glauben diese Politiker, Programmiersprachen würden, ähnlich wie eine Fremdsprache, den Schülern den Weg eröffnen, in eine neue Kultur einzutauchen. Programmiersprachen sind aber lediglich formale Sprachen, vergleichbar mit Formeln, die zudem einem ständigen Veränderungsprozess unterworfen sind.
Erheblich sinnvoller wäre es, den Aufbau digitaler Kompetenzen zum Ziel zu erheben, und zwar in allen Bildungsbereichen. Darunter verstehen wir die Fähigkeit, Herausforderungen in der Lebens- und Arbeitswelt, die zum großen Teil heute noch unbekannt sind, mit Hilfe digitaler Systeme selbstorganisiert und kreativ lösen zu können. Oder einfacher formuliert, die Menschen fit zu machen für die zukünftige digitale Lebens- und Arbeitswelt.
Digitale Kompetenzentwicklung zuhause, im Verein, in der Schule, in Hochschulen oder am Arbeitsplatz und im Netz umfasst damit zumindest fünf fundamentale Aspekte, nämlich die Fähigkeiten, die technischen und kommunikativen Möglichkeiten digitaler Datennetze
- selbstorganisiert und kreativ für eigene Problemlösungen zu einzusetzen,
- für die Entwicklung der eigenen Kompetenzen selbstorganisiert und kreativ zu nutzen,
- für die selbstorganisierte Kompetenzentwicklung von Schülern, Studenten, Mitarbeitern oder Freunden zu verwenden,
- selbstorganisiert und kreativ anwendungsbezogen mit weiterzuentwickeln,
- selbstorganisiert, kritisch und kreativ im Netz zu nutzen.
Es wird schnell klar, dass diese Anforderungen nur von den Menschen selbst organisiert aufgebaut werden können. Die Initiative muss von ihnen selbst ausgehen; sie lernen, wenn sie den Bedarf verspüren, indem sie eigene Herausforderungen, z. B. in Projekten, in eine Lerngemeinschaft einbringen.
Es geht beim neuen Lernen also nicht darum, ein neues Schulfach zu kreieren oder Seminare zu digitalen Systemen anzubieten, sondern selbstorganisierte Kompetenzentwicklung in Forschungsprojekten, in Praxisprojekten oder im Arbeitsprozess unter Nutzung digitaler Systeme zu ermöglichen. Dies würde sicher mehr bewirken als die nichtssagenden Wahlslogans der Parteien.