Personalisiertes Lernen am Arbeitsplatz und im Netz

Die Zukunft der Bildung ist digital. Wie wir lernen verändert sich einschneidend, unsere Schulen und Hochschulen werden auf den Kopf gestellt. Big Data erfasst das Bildungssystem, auch die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt sind gravierend. Am Beispiel der David A. Boody School im Stadteil Brooklyn in New York beschreiben beispielsweise Jörg Dräger und Ralph Müller-Eiselt wie maßgeschneidertes Lernen für alle möglich sein kann. Jeden Nachmittag errechnet der Computer für jeden Schüler seinen individuellen Lernplan, aus dem hervorgeht, an welchen Themen er noch weiter arbeiten muss und welches die beste Lernmethode für ihn ist. Jeder lernt nach seinen Bedürfnissen und Möglichkeiten. Die Lehrer werden dabei nicht überflüssig, sie begleiten nunmehr die individuellen Lernprozesse und helfen bei Bedarf.[1]

Der Arbeitsplatz der Zukunft wird von intelligenten IT-Systemen und durch innovative Arbeits- und Lernkonzeptionen, die durch Selbstorganisation und Kompetenzorientierung geprägt sind, bestimmt. Die heutige Personalentwicklung mit dem Schwerpunkt auf fremdgesteuertem Wissensaufbau und Qualifizierung wandelt sich zum Kompetenzmanagement, das selbstorganisierte, individuelle Lernprozesse im Prozess der Arbeit ermöglicht.

Personalisiertes Lernen orientiert sich konsequent an den Bedürfnissen der Lerner. Sie definieren deshalb selbstorganisiert ihre Lernziele aufgrund aktueller Herausforderungen, planen ihre Lernprozesse eigenverantwortlich und optimieren sie laufend auf Basis der Ergebnisse im Arbeitsprozess.

Die wesentliche Aufgabe des Kompetenzmanagement besteht dabei darin, aus der Unternehmensstrategie und dem Werterahmen einen Ermöglichungsrahmen zu entwickeln und laufend zu optimieren, der personalisierte Kompetenzentwicklungsprozesse im Prozess der Arbeit ermöglicht. Dies bedeutet, dass die Lerner ihre didaktisch-methodische Entwicklungsplanung in diesem Rahmen selbst verantworten.

Der Ermöglichungsrahmen ist ein planvoll hergestelltes Lernarrangement, das didaktische, methodische, materielle und mediale Aspekte so anordnet, dass die Wahrscheinlichkeit für die angestrebten Lernprozesse möglichst hoch wird.[2]

Die Lernplaner konzentrieren sich nicht mehr auf die detaillierte Planung eines gemeinsamen Lehr-/Lernprozesses (Planungsfixierung) sondern auf die Aneignung von Wissen und Kompetenzen in individuellen, selbstorganisierten Lernprozessen (Realisierungsfixierung). In diesem systemischen Ansatz wird der Lerner als Ganzes gesehen und es werden sein Umfeld und seine individuellen Bedürfnisse, die immer eng mit den emotionalen Strukturen verknüpft sind, berücksichtigt. Der Lernbegleiter schafft die Bedingungen für die Selbstorganisation der Lernenden und ermöglicht damit Prozesse der selbsttätigen und selbständigen Wissenserschließung und Wissensaneignung.[3]

Die Lerner werden vom Objekt zum Subjekt ihres Lernens. Sie erhalten deshalb vielfältige Angebote, die es ihnen ermöglichen, ihr Wissen selbstorganisiert nach Bedarf aufzubauen und zu sichern und bei der Bewältigung herausfordernder Aufgaben ihre Kompetenzen gezielt zu entwickeln. Die Lerner müssen deshalb eine hohe Methoden-, Medien-, Selbstorganisations- und Selbstlernkompetenz entwickeln. Aus dem bisherigen „Lehrer“ wird der „Lernbegleiter“, der als Bildungsberater und Lerncoach die individuellen Lernprozesse ermöglicht und unterstützt.

Im Rahmen der betrieblichen Bildung sind hierbei vor allem folgende Handlungsbereiche zu gestalten: [4]

  • Selbstorganisierter Aufbau von Wissen, z.B. mit E-Learning
  • Kompetenzentwicklung im Rahmen von realen, herausfordernden Praxisprojekten oder im Prozess der Arbeit
  • Social Learning, d.h. Reflexion des Erfahrungswissens mit Lernpartnern im Netzwerk
  • To know how to know: Entwicklung von Methoden-, Reflexions- und Persönlichkeitswissen

Optimiert werden zukünftig personalisierte Lenrprozesse durch aussagefähige Workforce und Learning Analytics Systeme.[5]

  • Workforce Analytics ist eine Kombination aus Softwarelösungen und Methoden, welche Daten aus den individuellen Arbeitsprozessen analysieren, um
    • valide Informationen für die Aufgaben des Human Resources Management, z.B. Personalplanung, Recruiting, Nachfolge- und Karriereplanung oder Performance Management zu generieren.
    • die persönlichen Arbeitsprozesse der Mitarbeiter zu optimiert, durch Bereitstellung der dazu notwendigen Informationen und der personalisierten Aufbereitung.
  • Learning Analytics wertet Daten aus den individuellen Lernprozessen im Rahmen des formellen Lernen, z.B. in Seminaren oder in Blended Learning Arrangements, und des informellen Lernen, z.B. des Social Learning oder des Workplace Learning, mit dem Ziel aus, ein unternehmensweites Kompetenzmanagement sowie die individuelle Kompetenzentwicklung der Mitarbeiter zu ermöglichen und zu optimieren.

Da Arbeiten und Lernen immer mehr zusammen wachsen, müssen diese Instrumente in einem ganzheitlichen Ansatz miteinander verknüpft werden. Während Learning Analytics Systeme in einigen Schulen und Hochschulen bereits heute eingesetzt werden, findet man Workforce und Learning Analytic Systeme, insbesondere in dieser Verknüpfung, aktuell nur vereinzelt in den Unternehmen. Dabei fällt auf, dass die Vorschläge für die individuelle Mitarbeiterentwicklung aus den aktuellen Systemen fast ausschließlich in formellen Weiterbildungsangeboten und noch nicht in Kompetenzentwicklungsmaßnahmen im Arbeitsprozess münden.

Es wird also noch einige Zeit dauern, bis die betrieblichen Lerner aus diesen Systemen die Informationen erhalten, die sie zur Optimierung ihrer personalisierten Kompetenzentwicklungs-Prozesse benötigen. Trotzdem können bereits jetzt personalisierte Lernprozesse im Prozess der Arbeit und im Netz ermöglicht werden, indem Social Blended Learning Arrangements und Workplace Learning auf Basis von Sozialen Kompetenzentwicklungs-Plattformen umgesetzt werden, die alle erforderlichen Elemente eines Ermöglichungsrahmens umfassen. Setzt man dabei Lösungen ein, die auf Open Source Tools basieren, sind diese Lernkonzepte nicht nur besonders effizient, sondern auch in hohem Maße wirtschaftlich.

[1] Dräger, J.  und Müller-Eiselt, R. 2015

[2] Wahl, D. (2006) S. 206

[3] Siebert, H. (3. überarb. Aufl. 2011), S. 90

[4] vgl. Arnold, R. ; Schüßler, I. (2010), S. 76 ff.

[5] vgl. Staudt, F.P. 201

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