Realitätsgleiche Werte- und Kompetenzentwicklung von Persönlichkeiten in Trainingsunternehmen

Die grundlegend veränderten Anforderungen am Arbeitsmarkt haben zur Folge, dass selbstorganisiertes Handeln eine immer größere Bedeutung gewinnt. Deshalb benötigen die Mitarbeiter zukünftig immer mehr Ordner für ihr strategieorientiertes Handeln, sie benötigen Werte.  Trainingsunternehmen können ein wirksamer Ansatz sein, diese gezielte Werte- und Kompetenzentwicklung von Persönlichkeiten zu ermöglichen.

Trainingsunternehmen haben in Deutschland eine lange Tradition. Erste Spuren lassen sich bis ins 17. Jahrhundert verfolgen. So veröffentlichte beispielsweise der „Rechenmeister“ Ambrosius Lerice bereits 1610 in Danzig ein Lehrbuch für Buchhaltung. Im 2. Teil, der 1660 erschien und mit „Commission und Factorey“ überschrieben ist, lässt er den fiktiven Kaufmann Peter Winst fiktive Geschäfte führen, die die Schüler erfassen und verbuchen sollten. Die erste „echte“ deutsche Übungsfirma wurde 1954 gegründet. Die Gründung der ältesten Übungsfirma, die noch heute aktiv ist, datiert auf das Jahr 1960. Aktuell gibt es in Deutschland zwischen 500 und 600 Trainingsunternehmen, vorwiegend im schulischen Bereich und im Bereich der Aus- und Weiterbildung sowie der Rehabilitation.

Zwischenzeitlich gibt es auch das Konzept der Übungsfirma 4.0, die berufliche Herausforderungen in der Industrie 4.0 simuliert. Unter Trainingsunternehmen versteht man didaktische Simulationsmodelle, in denen eine Organisation in ihrer Struktur und Dynamik realitätsgleich nachgebildet wird.

Häufig sind der Geldverkehr sowie die angebotenen Waren und Dienstleistungen fiktiv, jedoch finden alle übrigen Geschäftsprozesse und Außenkontakte, z. B.  zum, meist fiktiven,  Markt der Trainingsunternehmung sowie zu nationalen und internationalen Übungsfirmen, im Rahmen von betriebswirtschaftlichen und volkswirtschaftlichen Modellen tatsächlich statt.

Es gibt eine Vielzahl von Angeboten am Markt, die Übungsfirmen in einer modernen Arbeitswelt simulieren. Diese Lösungen sind sicherlich gut geeignet, unternehmerisches Fachwissen und Qualifikationen aufzubauen. Häufig wird dabei aber auch der Anspruch erhoben, mit Übungsfirmen in fiktiven Märkten Werte und Kompetenzen aufzubauen. Jedoch scheint es uns nicht möglich, mit noch so komplexen Szenarien diese Ziele zu erreichen, da in diesen Lernszenarien keine realen Herausforderungen zu bewältigen sind. So können in künstlichen Szenarien oder in Rollenspielen sehr wohl Strategien und Techniken trainiert werden. Kompetenzen und Werte als Ordner des Handelns werden sich aber erst dann entwickeln, wenn die Erfahrungen aus vielen realen, stark emotional beladenen Herausforderungen verinnerlicht werden. Für die zielorientierte Werteentwicklung sind deshalb fast nur Trainingsunternehmen geeignet, die reale Produkte, z. B. Apps, in realen Märkten vermarkten.

Die gezielte Werte- und Kompetenzentwicklung von Persönlichkeiten erfordert deshalb folgende zugespitzter Definition:

Ein Trainingsunternehmen für die Werte- und Kompetenzentwicklung der Mitarbeiter ist eine gezielt gestaltete Organisation, die mit realen Produkten in echten Märkten agiert.

Die Mitarbeiter dieser Trainingsunternehmen wirtschaften und handeln unter realen Bedingungen mit eigenem Budget, mit der Infrastruktur ihrer Organisation und in echten Märkten. Sie bauen beim Lösen realer Problemstellungen im Rahmen ihrer unternehmerischen Aktionen Kompetenzen auf, die sie für ihre späteren beruflichen Aufgaben benötigen. Dies setzt voraus, dass sie emotional labilisierende Schwierigkeiten, Probleme und Konflikte überwinden und Werte wirklich verinnerlichen, interiorisieren.

Praktisches Vorgehen

Beim Aufbau von Trainingsunternehmen, die eine gezielte Werte- und Kompetenzentwicklung ihrer Mitarbeiter ermöglichen, sollten Sie folgende Merkmale beachten:

Die Arbeitswelt wird immer digitaler. Deshalb benötigen Sie die Fähigkeit, Herausforderungen in der Arbeits- und Lebenswelt, die zum großen Teil heute noch unbekannt sind, mit Hilfe digitaler Systeme selbstorganisiert und kreativ lösen zu können. Ihre Werteentwicklung in  einem Trainingsunternehmen für die digitale Arbeitswelt umfasst damit zumindest einige fundamentale Aspekte.

Eine Werte- und Kompetenzorientierung, also  Fähigkeiten, mit den neuesten technischen und kommunikativen Möglichkeiten, etwa elektronischen Datennetzen, selbstorganisiert und kreativ umzugehen.  Für Ihre eigene Werteentwicklung und die Ihrer Mitarbeiter sollten Sie diese selbstorganisiert und kreativ nutzen, aber auch, wo möglich, helfen, sie kreativ mit weiterzuentwickeln und zu verbreiten. Die Basis der selbstorganisierten Planung personalisierter Werte-Entwicklungsprozesse kann wiederum eine valide Wertemessung und die Unterstützung eines Werteberaters bilden.

In gemeinsamem Handeln, gemeinsamer Werteentwicklung verantworten Sie gemeinsam mit Ihren Entwicklungspartnern alle Phasen des – ökonomischen – Wertschöpfungsprozesses in Ihrem Trainingsunternehmen, von der Vision und Mission zur Strategieentwicklung, vom Gründungsprozess über die Entwicklung von kundenbezogenen Lösungen bis zur Vermarktung und zum Vertrieb. Hinzu kommen Aufgaben wie Rechnungswesen, Controlling oder Human Resources Management. Sie lernen, selbstsicher Verantwortung zu übernehmen und Probleme gemeinsam zu lösen. Sie erfahren direkt und emotional bedrückend, welche Folgen Fehlentscheidungen bis hin zum Konkurs (!) nach sich ziehen können, aber auch, wie es sich anfühlt, Fehler zu machen oder sich erst schrittweise an Lösungen „heranzutasten“.

Eine reale Unternehmenswelt wird für Ziele einer Werte- und Kompetenzentwicklung vorausgesetzt, so dass sich die Teilnehmer in einer realitätsgleichen Umwelt bewegen. Deshalb empfehlen wir Ihnen, für die notwendige Lerninfrastruktur entweder Tools zu nutzen, die auch von realen Start-up-Unternehmen genutzt werden oder in einem eigenen, abgegrenzten Bereich die Infrastruktur Ihrer Organisation einzubeziehen.

Auf eine agile Arbeitsstruktur und -kultur sollten Sie von Anfang an achten und bauen. Also dass die mitwirkenden Menschen und ihre Interaktionen deutlich im Mittelpunkt stehen, dass Lösungen entwickelt werden, bei denen die Kunden wirklich einbezogen und ihre Bedürfnisse wirklich befriedigt werden, und dass flexibel auf unausweichliche Veränderungen reagiert wird. Damit erhöhen sich die Erfolgschancen Ihres Trainingsunternehmens erheblich. Dabei orientieren sich die Teilnehmer an agilen Werten, wie sie beispielsweise im  Scrum – Ansatz abgeleitet werden.

Seien Sie Sie innerlich vorbereitet und bereit, Entscheidungen für das Trainingsunternehmen zu treffen und neue Wege zu gehen.  Konzentrieren Sie sich auf vereinbarte Strategien, um zielorientiert und kreativ zu arbeiten und Ihre Werte gezielt zu entwickeln Übernehmen Sie im Rahmen der getroffenen Vereinbarungen im Trainingsunternehmen Verantwortung. Achten Sie Ihre Entwicklungspartner und betrachten Sie diese als gleichwertig. Seien Sie bereit, auf Veränderungen zu reagieren, sich mit Kollegen konstruktiv und kreativ auszutauschen sowie eigenes Wissen zu teilen. Geben Sie Ihr Bestes im Sinne des Teams und der Organisation. Bringen Sie jedem Entwicklungspartner grundsätzlich erst einmal Vertrauen entgegen.

Ich empfehle Ihnen, im Team jeweils einen sogenannten Produktverantwortlichen (Product Owner) als internen Vertreter des Kunden zu definieren, der die Verantwortung für das Produkt trägt. Die Entwicklung der Produkte wird durch das gesamte Entwicklungsteam verantwortet, das auch die Entscheidungen trifft.  Bei Bedarf kann das Team auf das Coaching eines Entwicklungsberaters zugreifen, der beispielsweise als Scrum Master agiert.

Agile Prinzipien und agile Praktiken halten wir also für die Planung und Gestaltung Ihrer Arbeits- und Entwicklungsprozesse, in Abstimmung mit Ihrem Team,  für höchst hilfreich. Sie übernehmen Verantwortung für Ihr Handeln, fokussieren es konsequent auf die Kunden, nutzen laufend deren Rückmeldungen und übernehmen die volle Verantwortung für die Qualität Ihrer Leistungen und Arbeitsprozesse.  Sie kommunizieren offen und direkt ohne Rücksicht auf Rang, Hierarchie oder Formalismus, tauschen laufend Ihr Erfahrungswissen aus und gestalten Ihre Wertschöpfungsprozesse nach dem Pull-Prinzip, d. h. sie gehen ihre Arbeitspakete nach Verfügbarkeit an, um nicht überlastet zu werden. Setzen Sie agile Praktiken um, beispielsweise, indem Sie eine gemeinsame Vision Ihres Trainingsunternehmens und seiner Strategie ableiten und mit einer hohen Planungsdisziplin auf Basis gemeinsamer Regeln vorgehen. Priorisieren Sie die Arbeitspakete, visualisieren Sie alle relevanten Informationen, nutzen Sie wo möglich Backlogs, also Listen oder Themenspeicher von eindeutig definierten Anforderungen oder Arbeitspaketen, die Sie konsequent abarbeiten. Fördern Sie die Zielfokussierung durch enge Zeitvorgaben (Time-boxing). Erzeugen Sie emotional antreibende, aber höchst wirksame Sprints, denen bestimmte Arbeitspakete verbindlich in den festgelegten Zeiträumen bearbeitet werden müssen, und der aktuelle Stand regelmäßig reflektiert wird. Und dokumentieren zum einen Ihre Erfahrungen als Kundengeschichten, die aus Anwendersicht den Nutzen verdeutlichen, und zum anderen Ihre neu gewonnenen Werteorientierungen, die aus Ihrer Sicht den Nutzen für Ihre gezielte Werteentwicklung bilden.

Nutzanwendung

Ich empfehle Ihnen, das Trainingsunternehmen in enger Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen Ihrer Organisation für die einzelnen Schritte des – ökonomischen – Wertschöpfungsprozesses zu gestalten. Damit erreichen Sie, dass das Trainingsunternehmen ein Spiegelbild der realen Arbeitswelt in Ihrer Organisation darstellt.

Im ersten Schritt ist gemeinsam mit den zukünftigen Mitarbeitern der Trainingsunternehmung eine Vision zu entwickeln. Diese bildet die Grundlage für eine Vereinbarung mit der Geschäftsleitung, um die notwendigen Rahmenbedingungen an Budget, Infrastruktur oder Zeit zu schaffen.

Weitere Schritte liegen in der Verantwortung der Werteentwicklungspartner, die von einem Entwicklungsbegleiter unterstützt werden können. Hierfür bietet sich, stichpunktmäßig, folgendes Vorgehen an:

Auf der individuellen Ebene

  • Regelmäßige Werte- und Kompetenzmessungen
  • Reflektionen über diese Entwicklungswerte und -kompetenzen , z.B. mit Entwicklungspartnern oder professionellen Entwicklugnsbegleitern
  • eigenverantwortliche Ableitung personalisierter Werte- und Kompetenzziele daraus
  • Selbstorganisierte Planung Ihrer personalisierten Werte- und Kompetenzentwicklungs-Prozesse

Auf der Ebene des Trainingsunternehmens

  • Gemeinsame Entwicklung der Unternehmensstrategie
  • Gemeinsame Entwicklung des Geschäftsmodells und detaillierte Planung des Wertschöpfungsprozesses
  • Selbstorganisierte Werte- und Kompetenzentwicklung in der Umsetzung dieser Maßnahmen
  • Einforderung einer Begleitung durch Führungskräfte als Entwicklungspartner (Mentoren)
  • Ein Co-Coaching in dem Sinne, dass die Mitarbeiter sich gegenseitig coachen
  • Eine professionelle Prozessbegleitung durch Coaches und zertifizierte Werteberater, die die Prozesse Ihres personalisierten Werteaufbaus unterstützen, sowie
  • Eine Werte- und Kompetenzentwicklung im Netz durch Aufbau von Enwicklungs-Partnerschaften und Communities of Practice, z. B. mit anderen Trainingsunternehmen.

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