Bild Quelle: https://www.soft-skills.com/skills-versus-kompetenz/
In unserer Beratungspraxis begegnet uns regelmäßig der Begriff Skills, insbesondere in Unternehmen, die einen angelsächsischen Hintergrund oder Bezug haben. Häufig wird dieser Begriff in Soft Skills, Hard Skills oder Future Skills differenziert. Im deutschsprachigen Bereich hat sich dagegen der Begriff Kompetenzen, insbesondere in der Definition von John Erpenbeck und Volker Heyse durchgesetzt. Teilweise findet man noch den Begriff Schlüsselqualifikation, der von Dieter Mertens bereits 1974 für die formelle Berufsbildung (vgl. Berufsbildungskommission NRW 1995) geprägt wurde.
Völlig verwirrend wird es, wenn beispielsweise der Stifterverband in einer Studie „Future Skills 2021“ vom November 2021 „21 Kompetenzen für eine Welt im Wandel“ ableitet. Sucht man eine Definition für Skills, klärt sich die Verwirrung kaum auf. Google bietet insgesamt 3.900.000.000 Ergebnisse. Die wörtlichen Übersetzungen von Skills sind auch kaum hilfreich, reichen sie doch von Können, Fähigkeiten, Fertigkeiten bis zu Kenntnissen, Geschick, Qualifikation oder gar Kompetenzen.[1]
Skills
Beispielsweise definiert der Stifterverband (2021) Skills als branchenübergreifende Fähigkeiten, Fertigkeiten und Eigenschaften, die durch spezifisches Wissen und eine entsprechende Wertehaltung, also der Bereitschaft zum Handeln, geprägt werden. Mit dem Begriff „Kompetenz“ werden dabei all diese Attribute zusammengefasst. Nach dieser Definition beschränken sie Skills auf den Bereich der Qualifikation.
Betriebliche Bildung hat die Aufgabe, die Mitarbeitenden für zukünftige Herausforderungen in der Arbeitswelt fit zu machen. Eine sinnvolle Definition für Skills kann deshalb nur aus den Anforderungen an die Mitarbeitenden in der Zukunft abgeleitet werden. Diese können aber nicht mehr mit formellen Lehrarrangements bewältigt werden, in denen Wissen und Qualifikationen auf Vorrat aufgebaut werden. Vielmehr müssen die Mitarbeitenden befähigt werden, ihre heute noch nicht bekannten Herausforderungen selbstorganisiert bewältigen zu können. Sie müssen lernen, mit Herausforderungen umzugehen, auf die es keine unmittelbar richtige Lösungen gibt, sondern bei denen es darauf ankommt, auf Basis verinnerlichter Werte Antworten zu finden. Deshalb müssen Skills für zukünftige Herausforderungen vor allem auch Werte und Kompetenzen umfassen.
Future Skills
Damit sind Skills immer Skills for Future. Wir sind deshalb zur Überzeugung gekommen, dass wir den Begriff Skills für die berufliche und betriebliche Bildung deutlich weiter fassen müssen, wenn wir die Mitarbeitenden für Ihre zukünftigen Herausforderungen in der Praxis fit machen wollen, als dies bisher üblich war.
Ehlers (vgl. 2019, S. 3, S. 111) definiert Future Skills als Kompetenzen, die es Mitarbeitenden ermöglichen, die Herausforderungen der Zukunft in hoch emergenten[2] Organisations- und Praxiskontexten selbstorganisiert handlungsfähig zu meistern. Diese beschreibt er mit Neugier entwickeln, Vorstellungskraft, Visionsfähigkeit, Resilienz, Selbstbewusstsein und Selbstorganisation. Die Mitarbeitenden müssen aber auch die Ideen, die Perspektiven und Werte anderer verstehen und respektieren, mit Fehlern und Rückschritten umgehen können und gleichzeitig achtsam mit Bewusstsein für Veränderungen in Natur, Umwelt oder Gesellschaft sowie Leidenschaft voranschreiten, auch gegen Schwierigkeiten.
Kompetenzen und Future Skills
Im Konzept der Future Skills wird damit der Begriff der Kompetenzen auf den Bereich von emergenten Handlungskontexten angewandt (Ehlers, 2019, S. 138). In diesem Sinne entsprechen Skills unserem ganzheitlichen Ansatz der Werte und Kompetenzen:
Kompetenzen sind Fähigkeiten, in offenen, unüberschaubaren, komplexen, dynamischen und zuweilen chaotischen Situationen kreativ und selbstorganisiert zu handeln (vgl. Erpenbeck, Heyse 2007
Es gibt damit keine Kompetenzen ohne Wissen im engeren Sinne oder Können, Fähigkeiten, Fertigkeiten bis zur Qualifikation. Diese sind aber keine Kompetenzen und bilden deshalb lediglich die notwendige Voraussetzung, aber nicht das Ziel des Lernens.
Insgesamt werden die Menschen zunehmend eigenverantwortlich und selbstorganisiert handeln. Dies erfordert jedoch einen veränderten Mindset, also Werte, die Motivation und Orientierung geben und damit die Haltung bestimmen. Diese wirkt sich wiederum auf die Kompetenzen und damit die Handlungen der Menschen aus.
Werte und Future Skills
Werte sind als Ordner selbstorganisierten Handelns Kerne von Kompetenzen (vgl. Fischer 2019).
Erst Werte ermöglichen ein Handeln unter Unsicherheit, sie überbrücken oder ersetzen fehlendes Wissen, schließen die Lücke zwischen Wissen und Handeln. Damit werden sie in der sich immer dynamischer wandelnden Zukunft zunehmend wichtig.
Future Skills in der zukünftigen Arbeitswelt
Organisationen erfahren einen Wandel von hierarchischen Ablauforganisationen hin zu vernetzten und agilen Strukturen und Prozessen sowie zu einem Ermöglichungs- und Beziehungsmanagement (vgl. Ehlers 2019 S. 50). Dieser Wandel vollzieht sich in immer schnelleren Zyklen.
Ehlers leitet aus der Analyse der zukünftigen Arbeitswelt drei wesentlichen Konsequenzen ab ( Ehlers 2019, S. 51):
- Von Vorgaben zur Selbstorganisation,
- Von der Aufbauorganisation zur Ermöglichungskultur
- Von der Anwendung zur Weiterentwicklung
Damit verlagern sich die Schwerpunkte des betrieblichen Lernens von Wissen und Qualifikation mit Übung und Training zu Werten und Kompetenzen, zum erfahrungs- und erlebnisorientierten Lernen, zu sozial-emotionalen Lernen und zur Reflektion.
Future Skills ermöglichen es, die Herausforderungen der Zukunft in der Arbeitspraxis selbstorganisiert handlungsfähig zu meistern. Sie setzen Wissen und Qualifikation voraus, erfordern aber Werte und Kompetenzen, die sich in der Haltung und der Handlungsfähigkeit der Mitarbeitenden zeigen.
Quellen
Stifterverband (2021): Future Skills 2021, 21 Kompetenzen für eine Welt im Wandel, eine Studie des Stifterverbandes, abgerufen unter file:///Users/simon.sauter/Downloads/future_skills_2021%20(3).pdf am 24. 12. 2021
Kirchherr, H., Klier, J., Lehmann-Brauns, C., Winde, M.: Future Skills (2018): Welche Kompetenzen in Deutschland fehlen, eine Studie des Stifterverbandes file:///Users/simon.sauter/Downloads/future_skills_diskussionspapier_01_welche_kompetenzen_fehlen.pdf
Ehlers, U. D. (2020): Future Skills: Lernen der Zukunft – Hochschule der Zukunft, Wiesbaden
[1] https://www.linguee.de/englisch-deutsch/uebersetzung/skills.html; https://dict.leo.org/englisch-deutsch/skills
[2] Emergenz: Auftauchen von neuen Eigenschaften oder Strukturen eines Systems, die nicht durch die Eigenschaften der einzelnen Systemelemente erklärt werden können, sich also aus ihrem Zusammenspiel ergeben. Populär ausgedrückt: „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“. Emergenz zeigt beispielsweise, ob und auf welcher Regelbasis Selbstorganisierung in sozialen Systemen funktioniert (vgl. Ehlers 2019, S. 143 ff.).[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row]