In dem jährlich erscheinenden Heft der Stiftung Warentest zur beruflichen Bildung werden diesmal neun Fernkurse der Betriebswirtschaft getestet.
Es ist schon erstaunlich, dass jährlich 51.000 Personen diese Kurse buchen, obwohl sie noch auf einer Didaktik und Methodik basieren, die sich in den vergangenen fünfzig Jahren nur marginal, wenn überhaupt verändert hat. Das gesamte Wissen wird per Studienbriefe, die per Post (!) versandt werden, vermittelt. Die Lerner senden ab und zu (meist per Post) sogenannte „Einsendeaufgaben“ ein, die sie dann nach einiger Zeit, teilweise nur mit Häkchen oder mit Hinweisen wie „zu allgemein“ oder „sehr schön, weiter so“ versehen zurück erhalten. Nur drei Anbieter bieten ergänzend, auf freiwilliger Basis Präsenztage an, die aber nicht, z.B. über Transferaufgaben, in die Lernkonzeption eingebunden sind. In sogenannten Onlinestudienzentren mit Chats und/oder Foren sollen sich die Teilnehmer bei einigen Anbietern austauschen. Auch hier gibt es keine methodischen Ansätze in den Studienbriefen und Aufgaben, um diesen Austausch zu fördern. Von Teilnehmern wurde mir berichtet, dass dort u.a. Kochrezepte ausgetauscht werden. Wenn man davon ausgeht, dass man die Inhalte der Fernstudienbriefen in mindestens gleicher Qualität auch in guten Fachbüchern im Gesamtpreis von ca. 200 Euro vermittelt bekommen könnte, stellt sich die Frage, was den Mehrwert von bis zu 2.500 Euro pro Kurs ausmacht. Sind die Einführungshefte, die Korrektur von Einsendeaufgaben und die Abnahme der Prüfung wirklich so viel Geld wert?
Alle Kurse wurden von der Staatlichen Zentralstelle für Fernunterricht (ZFU) zugelassen. Ich frage mich angesichts dieser Ergebnisse, welchen Nutzen diese Behörde in Köln für die Lerner bringt. Sorgt sie wirklich dafür, dass die Teilnehmer sicher sein können, nur Kurse mit hoher fachlicher und didaktisch-methodischer Qualität zu erhalten, oder bewirkt sie gerade das Gegenteil? Mein Eindruck ist, dass sich ein Kartell der großen Anbieter für Fernstudien im Verbund mit der ZFU darauf geeinigt hat, die antiquierte Lehr- bzw. Lernmethode mit Fernstudienbriefen zum optimalen Konzept zu erklären. Dadurch erspart man sich die Investitionen in Angebote mit innovativen Lernformen, z.B. Blended Learning. Innovative Anbieter am Markt werden durch die relativ hohen (und teuren) Hürden eines Genehmigungsprozesses bei der ZFU wohl eher abgeschreckt. Die ist eine groteske Wirkung einer ursprünglich mal gut gemeinten Verbraucherschutzmaßnahme.
Wenn die Fernstudienanbieter und die ZFU Recht hätten, stellt sich die Frage, warum sich in der betrieblichen Bildung E-Learning und Blended Learning Konzepte immer mehr durchsetzen und Lernkonzepte mit Studienbriefen die Ausnahme bilden. Ich denke, es ist heute unbestritten, dass professionell entwickelte Blended Learning Konzepte diesen Ansätzen deutlich überlegen sind. Die selbstgesteuerten Lernprozesse werden verbindlich vereinbart, die Lerner werden durch Lernpartner und Tutoren flankierend begleitet, Selbstlernphasen und obligatorische Präsenzveranstaltungen werden didaktisch-methodisch miteinander verknüpft, die Lerner erhalten bei jeder Aufgabe im WBT sofort eine Rückmeldung, Ausarbeitungen und Erfahrungswissen der Teilnehmer werden in der Learning Community gezielt ausgetauscht und gemeinsam weiter entwickelt….
Ich denke, es wäre auch im Bereich der Fernkurse Zeit, der offensichtlich großen Nachfrage nach betriebswirtschaftlichen Fernlehrgängen mit zeitgemäßen Lernkonzepten gerecht zu werden.
Ihr
WS