Wie u.a. die FAZ vom 25. Juni 2014 berichtete, hat IBM seinen neuen Supercomputer in der Cloud mit dem Namen Watson vorgestellt. Seine Leistungsfähigkeit wird mit folgendem Beispiel verdeutlicht:
… Watsons erster öffentlicher Test kreiste um die Frage, ob der Verkauf von Videospielen an Minderjährige verboten werden sollte. Bevor er eine Antwort gab, verkündete er innerhalb von Sekunden:
„Ungefähr vier Millionen Wikipedia-Artikel gescannt, davon die zehn relevantesten behalten. Alle 3.000 Sätze in den zehn Top-Artikeln gescannt. Sätze, die Behauptungen der Debattierer enthalten, entdeckt. Umrisse dieser Behauptungen identifiziert. Die Pro- und Contra-Polarität der Behauptungen der Debattierer abgewogen. Eine Rede mit den Voraussagen der Top-Behauptungen ausgearbeitet. Lieferbereit“
FAZ 25. Juni 2014, Seite 11
Lernen heißt bei diesem kognitiven System also deutlich mehr als speichern und analysieren. Nicht länger bedarf es menschlicher Mithilfe, um aus dem Wissensvorrat und unaufhörlichen Wissensnachschub (in der Cloud) ebenso unaufhörlich neue, eigen Schlüsse zu ziehen. Der Computer lernt selbst. Und denkt selbst. Damit wird er zu einem humanoiden Computer. Was bedeutet dies für die betrieblichen Lernsysteme?
Humanoide Computer im betrieblichen Lernen sind selbständig agierende Computer, die ähnlich wie Menschen, Problemstellungen erfassen, analysieren, bewerten und unter Nutzung der Möglichkeiten des Netzes lösen können. Sie haben eigene Meinungen, die sie auch kritisch äußern und entwickeln sie von sich aus Lösungsvorschläge. Dabei nutzen sie ihr Erfahrungswissen aus früheren Entscheidungen des Lerners, so dass sie im Laufe der Zeit auch dessen Wertesystem verinnerlichen und in ihre Vorschläge mit einbeziehen.
In den kommenden Jahren werden Computer damit zu aktiven Lernpartnern, die Kompetenzentwicklungsprozesse ermöglichen und tutoriell begleiten. Dabei sind drei Trends von wesentlicher Bedeutung:
- die Entfaltung semantischer Netze im Rahmen von Kompetenzentwicklungsprozessen,
- die zunehmende Einbeziehung des Cloud Computing in Kompetenzentwicklungsprozesse,
- die Nutzung immer leistungsfähigerer humanoider Computer als Tandempartner beim selbstorganisierten Kompetenzaufbau.
Der Mensch verliert damit seinen Alleinvertretungsanspruch auf das Denken. Stellen sich schon heute bei Coaching-Prozessen oft gegenseitige Beziehungen ein, die man zutreffend als Co-Coaching bezeichnen kann, resultiert nun ein Computer-Co-Coaching, das heißt, der Computer übernimmt die Rolle eines Coaches, ist nicht mehr nur technischer Gehilfe, Gerät, Instrument, sondern Lernpartner im eigentlichen Kompetenzentwicklungsprozess.
Human Computer ermöglichen Kompetenzentwicklung im Netz mit Computer-Co-Coaching.
Unter den neuen Bedingungen der digitalen Produktivkräfterevolution stehen jetzt zwei Lerner, der Mensch und der humanoide Computer, dem Arbeitsprozess gegenüber, erwerben Wissen und mit ihm die Grundlage für Kompetenzen, die sie untereinander austauschen und handelnd reflektieren. Eine neue Art von Lernhandeln etabliert sich. Wir sprechen von trialem Lernen.
Triale Kompetenzentwicklung optimiert das Lernen im Arbeitsprozess mit menschlichen Lernpartnern und dem Lernpartner Computer.
Zum Nachdenken fand ich in diesem Kontext folgende Aussagen in diesem FAZ-Artikel:
John E. Kelly III, Leiter der Forschungsabteilung von IBM: „Die Frage ist nicht, ob, sondern wann eine Maschine Mensch wird“
Thomas J. Watson. Research Center IBM: „…Keine Frage, die Rolle des Menschen müsse sich verändern, aber das letzte Wort werde immer er haben und behalten.“ …Partnerschaft lautet für ihn das Stichwort zum Verhältnis von Mensch und Maschine.
Wenn man diese Entwicklungen auf sich wirken lässt und dann daneben das Beharrungsvermögen vieler Bildungsanbieter innerhalb und außerhalb der Unternehmen sieht, kann man nur sehr nachdenklich werden. Auch die Pferdekutscher vor über hundert Jahren konnten sich nicht vorstellen, welche Konsequenzen die Entwicklung des Automobils für sie haben würde….
Es wird spannend sein zu beobachten, wie sich die betriebliche Bildungslandschaft in den kommenden Jahren verändern wird. Wir müssen uns auf jeden Fall schon jetzt auf die Veränderungen im Lernbereich einstellen, damit wir die beteiligten Führungskräfte, Personalentwickler, Trainer und vor allem die Lerner rechtzeitig auf die Lernsysteme der Zukunft vorbereiten.