Es besteht große Einigkeit darüber, dass die Arbeitswelt und damit das Corporate Learning nach der Corona Krise nicht mehr so sein wird, wie vorher. Unsere Welt wird noch unberechenbarer sein und die Unsicherheit sowie die Komplexität wird weiter zunehmen. Die digitale Transformation wird sich beschleunigen, Arbeitsformen wie Home Office oder E-Learning-Formate werden sich immer mehr durchsetzen und viele Meetings werden ins Netz verlagert. Insgesamt werden die Menschen zunehmend eigenverantwortlich und selbstorganisiert agieren. Dies erfordert jedoch einen veränderten Mindset, also Werte, die als Ordner dieses selbstorganisierten Handelns fungieren.
Jedes absichtsvolle menschliche Handeln ist wertegegründet. Erst Werte ermöglichen ein Handeln unter Unsicherheit, sie überbrücken oder ersetzen fehlendes Wissen, schließen die Lücke zwischen Wissen einerseits und dem Handeln andererseits. Ohne Werte gibt es keine Kompetenzen, also keine Fähigkeiten zu selbstorganisiertem, kreativem Handeln.
Bei der Frage nach dem Wertewandel werden viele Mitarbeiter und Führungskräfte vor allem an instruktionale Maßnahmen denken. Die wichtigsten aktuellen Instrumente, die als Reaktion auf den HR-Megatrend „Wertewandel“ genannt wurden, sind neben der „Thematisierung“ im Rahmen von Seminaren zur Führungskräfteentwicklung Verhaltenskodexe (Code of Conduct). Wir sind der Meinung, dass diese normativen Formulierungen und deren Diskussion, z.B. in Führungsseminaren, allein keinen Wertewandel bewirken können. Deshalb wird ein systematisches Wertemanagement im Kontext der zunehmend digitalisierten Arbeitswelt erforderlich.
„Werte“, die in Hochglanzbroschüren verbreitet werden, sind zunächst ausschließlich in der oberen Etage der normativen Leitlinien, Visionen und Grundsätze angesiedelt. Sie erscheinen als etwas Hehres, Entrücktes, aber auch sich schnell Veränderndes. Also auch als etwas, worauf man in der „niedrigen“, alltäglichen Praxis nicht unbedingt zu achten braucht. Deshalb ist die Vielzahl der Skandale in der Wirtschaft, die wir in den vergangenen Jahren erlebt haben, nicht verwunderlich.
Es wird vielmehr eine ganzheitliche, systemische Konzeption des Wertemanagements benötigt, die unternehmensweit eine deutlich spürbare Entwicklung der Unternehmenskultur auf allen Ebenen bewirken kann. Die Kernfrage der Werteentwicklung in Unternehmen ist deshalb, wie Mitarbeiter, Teams und die gesamte Organisation Werte für die Bewältigung von Herausforderungen, die gegenwärtig noch gar nicht existieren, für die Nutzung von Technologien, die noch gar nicht entwickelt sind, entwickeln, um Probleme handlungssicher zu lösen, von denen wir heute noch nicht wissen, dass sie entstehen werden.
Die Verinnerlichung (Interiorisation) von Werten ist dabei der Schlüsselprozess jeder Werteaneignung. Zu Unternehmenskultur und Wertemanagement gehört, dass sich ein Unternehmen selbst klar wird, welchen Werten es folgt, was seine Unternehmenskultur real ausmacht, wie es angesichts zukünftiger Aufgaben und strategischer Ausrichtungen seine Werte entwickeln will und wie die zu entwickelnden Werte von den Mitarbeitern so zu eigenen Emotionen und Motivationen verinnerlicht werden, so dass sie im Interesse des Unternehmens denken und handeln.
Nur was wir messen können, können wir auch steuern. Deshalb ist für die gezielte Werteentwicklung zwingend ein organisationsspezifisches Wertemodell sowie eine fundierte Werteerfasssung notwendig.
Werteerfassung und Werteentwicklung gehören deshalb heute zum Kerngeschäft der Unternehmen.
Wertemanagement ist eine große Herausforderung für die jeweiligen Führungskräfte, weil nicht die Weitergabe von Wertewissen, also der ausformulierten Regeln, Werte und Normen individuellen und sozialen Handelns, sondern deren Verankerung via Verinnerlichung (Interiorisation) in den je eigenen Emotionen und Motivationen möglichst vieler Mitarbeiter erforderlich ist. Bloß gelernte, nicht interiorisierte Werte kann man lehren, abfragen, auswendig lernen und aufsagen. Auf das eigene freie Entscheiden und Handeln haben sie kaum Einfluss.
Die Unternehmenskultur bildet dabei den handlungsprägenden Rahmen aller Mitarbeiter. Probleme entstehen meist dann, wenn die Unternehmenskultur, die nach außen kommuniziert wird, deutlich von der im Inneren gelebten abweicht. Die Gründe dafür können sein, dass es keine vereinbarte Unternehmenskultur gibt, dass eine angestrebte Unternehmenskultur nicht zum Leben erweckt wurde oder dass sich die Werte und Normen evolutionär entwickelt haben, so dass sie unreflektiert über einen längeren Zeitraum gewachsen sind. In jedem Fall ist es eine notwendige Voraussetzung für einen gezielten Veränderungsprozess, im ersten Schritt die organisationalen Werte, und damit die Unternehmenskultur, zu erfassen, zu analysieren und zu bewerten.
Man kann Werte und Kulturen nicht „vermitteln“. Man kann aber viel für die Wert- und Kulturentwicklung tun, sie ermöglichen, fördern, antreiben, verstetigen. Werte- und kompetenzorientierte Lernsysteme setzen eine Unternehmenskultur voraus, in der Führungs- und Lernkultur eine Einheit bilden.
Die Konzeption beabsichtigter und „intendierter“ Werteentwicklung auf allen Ebenen der Organisation erfordert Antworten auf folgende Fragen:
- Wie schätzen die Mitarbeiter die aktuellen Ist-Werte in der Organisation ein, welche Werte wünschen sie sich?
- Welche Soll-Werte, die daraus abgeleitet werden, sollen zukünftig das Handeln in der Organisation prägen?
- Mit welchem Kommunikationskonzept können diese Werte mit allen Mitarbeitern erörtert werden?
- Anhand welcher „Korridorthemen“ kann die Werteentwicklung organisationsweit initiiert werden?
- Wie schätzen die Mitarbeiter eines Teams, einer Abteilung oder eines Bereiches die jeweilige Ist- und Wunsch-Werte in ihrem Bereich ein?
- Welche spezifischen Werte-Entwicklungsziele leiten sich daraus für diese Bereiche im Rahmen der organisationalen Soll-Werte ab?
- Welche konkreten Praxisprojekte sind geeignet, die Werteentwickelt in Teams, Abteilungen oder Bereichen gezielt zu bewirken?
- Wie kann die individuelle Werteentwicklung der einzelnen Mitarbeiter in personalisierten Lernprozessen ermöglicht werden?
- Welche Konsequenzen ergeben sich aus dem neugestalteten Corporate Learning für die Rollen der Mitarbeiter, des Bildungsbereiches und der Führungskräfte?
- Wie können die Werte und Kompetenzen der Lernbegleiter und der Führungskräfte als Entwicklungspartner ihrer Mitarbeiter aufgebaut werden?
- Wie kann der Veränderungsprozess zur Implementierung werteorientierter Entwicklungssysteme gestaltet werden?
Wir haben mit KODE®W in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. John Erpenbeck das notwendige professionelle Instrument zur Erfassung der Werte auf Organisations-, Team- und Individualebene entwickelt und in der Praxis umgesetzt. In verschiedenen Pilotprojekten haben wir breite Erfahrungen im Wertemanagement sowie in der gezielten Werteentwicklung von Mitarbeitern gesammelt.
Wir würden uns freuen, wenn wir dazu mit Ihnen ins Gespräch kommen.
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