Werteorientierte Onboarding-Programme

Onboarding-Programme, das „an Bord nehmen“ von neuen Mitarbeitern durch integrationsfördernde Maßnahmen, werden von vielen Unternehmen umgesetzt. Dazu zählen Infobroschüren, Einführungsseminare („New member days“), casebasierte Trainings, Führungen durchs Unternehmen, Checklisten, Einarbeitungspläne mit einer Vielzahl von Durchlauf-Stationen, Beobachtung von Kollegen, „Buddies“, „Paten“ und „Tutoren“, Team-Events und Kennenlern-Aktionen, Gespräche mit dem Personalbetreuer oder Mentoring durch die Führungskräfte.

Damit soll im Regelfall erreicht werden, dass die Mitarbeiter ihre persönlichen Werte an die Unternehmenswerte anpassen, sich rasch in das Team integrieren und in ihrem Aufgabenbereich handlungssicher fühlen. Dies ist mit den skizzierten Maßnahmen jedoch nur bedingt zu erreichen.

Die Verinnerlichung von Werten ist der Schlüsselprozess jeder Wertaneignung und damit jedes Onboarding-Programmes. Es gibt kein kompetentes Handeln ohne Werte – Werte konstituieren kompetentes Handeln. Wenn wir verstehen, wie Werte angeeignet werden, verstehen wir, wie Kompetenzen angeeignet werden. Deshalb kommt diesem Aspekt in den betrieblichen Lernprozessen, insbesondere im Onboarding, eine zentrale Rolle zu.

Jeder Mensch wertet in nahezu jedem Augenblick seines Handelns. Die Wertungsresultate können sehr vielschichtig sein. Beispiele dafür sind Empfindungen, Gefühle, Wünsche, Vermutungen, Zweifel, Befürchtungen, Hoffnungen, Bedürfnisse, Interessen, Einstellungen, Meinungen, Haltungen, Ansichten, Überzeugungen, Vorurteile oder Ablehnungen. Erst Werte ermöglichen ein Handeln unter Unsicherheit, was in dem neuen Unternehmensumfeld besonders wichtig ist. Sie “überbrücken” oder ersetzen fehlende Kenntnisse, schließen die Lücke zwischen Wissen und Handeln. Damit sind sie die zentralen Ordnungsparameter für individuelles und soziales Handeln. Diese Rolle können Werte aber nur erfüllen, wenn sie nicht nur wohlformuliert in teuren Hochglanzbroschüren stehen, sondern in uns selbst interiorisiert sind. Werte sind damit das Ergebnis laufender Lernprozesse in der Praxis, bei der Lösung realer, herausfordernder Problemstellungen.

Werte können somit nicht gelehrt oder instruktional vermittelt werden. Gespräche über die Unternehmenswerte werden mit Sicherheit nicht dazu führen, dass die neuen Mitarbeiter danach handeln. Wir kennen schließlich alle die zehn Gebote…. Tatsächlich werden Werte durch die Menschen erst in ihrem eigenen geistigen oder gegenständlichen Handeln selbst angeeignet und gehen unmittelbar in die einzelnen Erlebnisse dieser Menschen ein.

Werte können aber nur selbst handelnd, selbstorganisiert in realen Entscheidungssituationen im Prozess der Arbeit („Workplace Learning“) angeeignet werden.

Deshalb benötigen wir für den Onboarding-Prozess in den Unternehmen Integrationskonzepte, die auf dem Ansatz der „Ermöglichungsdidaktik“ aufbauen und den Mitarbeitern die Möglichkeit geben, ihre Werte – und damit ihre Handlungssicherheit im neuen Unternehmen – selbstorganisiert bei der Bearbeitung von herausfordernden Aufgaben in ihrem neuen Netzwerk zu gestalten.

Deshalb schlagen wir für werteorientierte Onboarding-Programme folgende Struktur vor:

  1. Onboarding-Gespräch mit der Führungskraft: Auf Basis einer grundlegenden Kompetenzmessung in Form einer Selbsteinschätzung definiert der Mitarbeiter seine wesentlichen Kompetenzziele, die er im Rahmen der Einarbeitungsphase anstrebt. Gemeinsam legen die beiden Gesprächspartner eine oder mehrere herausfordernden Praxisaufgaben fest, die der neue Mitarbeiter in den kommenden sechs Monaten unter Nutzung des Ermöglichungsrahmens sowie seines neuen Netzwerkes im Unternehmen bearbeitet. Die Führungskraft stellt dafür die notwendigen zeitlichen, personellen und technischen Voraussetzungen sicher. Nach zwei bis drei Monaten sowie nach sechs Monaten am Ende der Einarbeitungszeit finden weitere Entwicklungsgespräche mit der Führungskraft statt, in denen der Einarbeitungsprozess reflektiert und bei Bedarf optimiert wird. Außerdem werden weitere Kompetenzmessungen, nunmehr mit Selbst- und Fremdeinschätzung, die auf das jeweilige Soll-Profil der neuen Funktionen bezogen sind, durchgeführt und gemeinsam ausgewertet. Die Führungskraft übernimmt für den gesamten Einarbeitungsprozess die Rolle eines Mentors, der den neuen Mitarbeiter in seiner persönlichen und beruflichen Entwicklung gezielt fördert.
  1. Kickoff: Dieser ein- bis zweitägige Workshop, der von dem Lernbegleiter moderiert wird, dient einem Zweck, nämlich sicher zu stellen, dass die selbstorganisierten Lernprozesse der neuen Mitarbeiter erfolgreich sind. Die Teilnehmer stellen sich und ihre mit der Führungskraft jeweils vereinbarten Aufgaben vor, lernen das innovative Lernarrangement kennen sowie den Ermöglichungsrahmen gezielt zu nutzen, reflektieren über ihre Rolle und ihre Verantwortung in diesem Entwicklungsprozess, bilden Lernpartnerschaften („Co-Coaching“), Lerngruppen, z.B. zur kollegialen Beratung, und vereinbaren persönliche Blogs als regelmäßige Lerntagebücher sowie Communities of Practice.
  2. Selbstorganisierte Kompetenzentwicklung: Die Entwicklung des persönlichen Wertesystems, der Aufbau der Kompetenzen sowie die Integration in das Team und in das Unternehmen erfolgen im Rahmen der Bearbeitung der vereinbarten Aufgaben, die den „Roten Faden“ der Lernprozesse bilden. Erst dadurch sind diese langfristigen Veränderungen möglich. Dabei nutzen die neuen Mitarbeiter bei Bedarf die Möglichkeiten des Ermöglichungsrahmens sowie ihr Netzwerk aus Lernpartnern, Lernbegleiter, Experten, Führungskraft und Kollegen. Ungeklärte Fragen werden im Themenspeicher gesammelt und mit Hilfe des Lernbegleiters bzw. von Experten online oder in Workshops geklärt.
  3. Workshops und/oder Webinare: Regelmäßig, z.B. alle vier Wochen, treffen sich die neuen Mitarbeiter online oder in Präsenz, um über ihre vergangenen Selbstlernphase zu reflektieren, Zwischenergebnisse vorzustellen und zu diskutieren, offene Fragen mit dem Lernbegleiter bzw. mit Experten zu klären und verbindliche Vereinbarungen für die kommende Selbstlernphase zu treffen. Bei Bedarf können auch Praxistrainings eingefügt werden, in denen bestimmte Fertigkeiten, z.B. der Umgang mit einer Projektmanagement-Software, erlernt werden können.
  4. Wisssensaufbau und Qualifizierung mit digitalisierten Lernformen: Die neuen Mitarbeiter können sämtliche Informationen, Verlinkungen, Web Based Trainings, Videos, Podcasts oder PDF, aber auch das dokumentierte Erfahrungswissen von Kollegen, bei Bedarf nutzen, um ihre Lösungen zu entwickeln. Die neuen Mitarbeiter bauen damit ihr unternehmensspezifisches Wissen sukzessive im Rahmen der Problemlösungsprozesse auf. Damit wird das ineffektive Vorratslernen, z.B. in Einführungsseminaren, vermieden.
  5. Kompetenzorientiertes Wissensmanagement: Im Rahmen ihrer Lernprozesse sammeln die neuen Mitarbeiter vielfältige Erfahrungen, die sie über ihre Lerntagebücher sowie in den Communities austauschen und gemeinsam weiter entwickeln. Damit soll das soziale Lernen, aber auch der Wissensaufbau im weiteren Sinn, einschließlich Werte und Normen, ermöglicht und für alle Mitarbeiter nutzbargemacht werden. Wissen wird bei Bedarf „on demand“ selbstorganisiert von den Mitarbeitern recherchiert und in den Arbeits- bzw. Lernprozess integriert.
  6. Soziales Lernen im Netz: Die neuen Mitarbeiter bauen systematisch ihr Netzwerk auf, indem sie in kollaborativen Lernprozessen ihre Kompetenzen entwickeln. Lerntagebücher und Communities of Practice erhalten eine zentrale Bedeutung.
  7. Abschluss-Workshop: Die neuen Mitarbeiter stellen im Beisein ihrer Führungskräfte ihre Arbeits- und Projektergebnisse vor. Bei Bedarf werden konkrete Umsetzungsmaßnahmen vereinbart. Außerdem werden Vereinbarungen zur Fortführung oder Neugestaltung der Communities of Practice getroffen.

Wenn die neuen Mitarbeiter in diesem Rahmen gelernt haben, ihre Herausforderungen selbstorganisiert in ihrem Netz zu lösen, werden sie diese Kompetenz naturgemäß auch auf andere Problemstellungen in ihrer Praxis übertragen können. Dabei werden sie wiederum diesen Ermöglichungsrahmen nutzen. Lernen findet damit immer mehr am Arbeitsplatz und im Netz statt, es entwickelt sich ein Social Workplace Learning. Der Onboarding-Prozess geht nahtlos in den laufenden Kompetenzentwicklungs-Prozess über.

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