Gestern hatte ich Gelegenheit, im Rahmen der Wissensmanagement-Tage in Stuttgart zusammen mit unserem Partner Franz-Peter Staudt unsere Konzeption des kompetenzorientierten Wissensmanagements vorzustellen.
Unsere Überlegungen basieren dabei auf der Erkenntnis, dass der Wettbewerb in einer Welt der Industrie und Produktion 4.0 ein Kompetenzwettbewerb ist. Kompetenzentwicklung am Arbeitsplatz und im Netz entscheidet deshalb die Zukunft maßgeblich mit. Dabei spielt der Austausch und die gemeinsame Weiterentwicklung von Erfahrungswissen aller Mitarbeiter im Prozess der Arbeit und in Praxisprojekten eine zentrale Rolle.
Der Umgang mit Wissen ist so alt wie die Menschheit selbst.[1] Der globale Wettbewerb und die digitale Revolution führen aktuell dazu, dass Wissen immer stärker als Ressource verstanden wird.
Wissen und Lernen stellen daher die zentralen Faktoren dar, um die sich das Arbeitsleben, die Lernprozesse und seine Kommunikationsformen in Zukunft organisieren werden.[2]
Das Erfahrungswissen aller Mitarbeiter ist ein Schatz der Unternehmen, der heute oftmals im Verborgenen bleibt. Dies wird besonders schmerzhaft deutlich, wenn erfahrene Fachkräfte ein Unternehmen verlassen. Die Technologien im Bereich der Dokumentation und Kommunikation bieten die Möglichkeit, dieses Wissen zu dokumentieren und in einem Austausch der Mitarbeiter gemeinsam weiterzuentwickeln.
Es leuchtet ein, dass dieses Wissensmanagement den Unternehmen erhebliche Wettbewerbsvorteile verschaffen kann. Trotzdem haben die vergangenen Jahrzehnte gezeigt, dass Mitarbeiter im Regelfall nicht bereit sind, ihren persönlichen Wissensschatz mit anderen zu teilen. Deshalb wird Wissensmanagement nur gelingen, wenn sich die Unternehmenskultur grundlegend wandelt. Die Erfahrungen zeigen, dass Wissensmanagement, das „top-down“ verordnet wird, keine Chance hat, Teil der täglichen Arbeits- und Lernprozesse zu werden.
Die Unternehmen benötigen vielmehr ein Wissensmanagement, bei dem jeder Arbeits- und Lernprozess Anlass ist, neues, gemeinsames Wissen durch alle Mitarbeiter zu generieren.
Ein zeitgemäßes, den Unternehmenserfolg vorantreibendes Wissensmanagement hat sich diesen Herausforderungen zu stellen – auch wenn dies in den meisten Organisationen eine Revolution bedeutet. Deshalb muss der Begriff des Wissensmanagement gegenüber den Konzepten aus der Anfangsphase des Wissensmanagements erheblich erweitert werden.
Wissensmanagement im weiteren Sinne ist kompetenzorientiert und umfasst neben dem Wissen im engeren Sinn (formelles Fachwissen) Werte, Regeln, Normen und Erfahrungen. Hinzu kommen Gefühl, Intuition und Kreativität beim Umgang mit Information und Wissen. Wissen wird demnach mit Werthaltungen verknüpft.[3]
Nicht mehr die Wissensspeicherung, sondern der Wissensfluss kennzeichnet Wissensmanagementsysteme in der erweiterten Form. Dieser bildet die notwendige Grundlage für einen gezielten Kompetenzaufbau der Mitarbeiter im Sinne der Fähigkeit, Problemstellungen im Arbeitsprozess selbstorganisiert und kreativ zu lösen. Deshalb sprechen wir vom kompetenzorientierten Wissensmanagement
Wir sehen das Verhältnis von Wissen und Werten als wichtigstes Unterscheidungskriterium für die grundlegenden Ausprägungen des Wissensmanagements. Werte, als Resultate von Bewertungen, sind etwas sehr Geheimnisvolles und zugleich ganz Alltägliches. Sie durchdringen unser gesamtes Leben und Handeln. Wir handeln kaum, ohne dass wir – bewusst oder unbewusst – werten, ob das, was wir gerade tun, Genuss bereithält (hedonistische Wertung), Nutzen verspricht (utilitaristische Wertung), ethisch gut ist (ethische Wertung) oder sozial-organisatorisch etwas bringt (politische Wertung). Alle unsere Empfindungen, Gefühle, Wünsche, Vermutungen, Zweifel, Befürchtungen, Hoffnungen, Bedürfnisse, Interessen, Einstellungen, Meinungen, Haltungen, Ansichten, Überzeugungen, Vorurteile, Ablehnungen, Glaubensvorstellungen und dergleichen sind Werte oder enthalten maßgeblich Werte. Werte sind kein deklaratives Wissen, kein Sach- und Faktenwissen, kein Informationswissen. Sie sind nicht wahr oder falsch. Sie werden von Einzelnen, Gruppen, Organisationen, Unternehmen, Nationen, Völkern, ja manche von der Weltbevölkerung akzeptiert oder abgelehnt.[4]
Deshalb brauchen die Unternehmen ein Wissensmanagement im weiteren Sinn. Die heutigen innerbetrieblichen und überbetrieblichen Bildungsanbieter benötigen dafür ein grundlegend neues Geschäftsmodell, das Kompetenzmanagement, Wissensmanagement und Ermöglichungsrahmen für Kompetenzentwicklung am Arbeitsplatz und im Netz umfasst.. Diese Zielsetzung erfordert einen Implementierungsprozess, der als Veränderungsprozess gestaltet ist.
[1] Vgl. Keller, D.; Kastrup, C. (2009), S. 7-9.
[2] Vgl. Pabel, F. (2005), S. 13.
[3] Vgl. Reinmann-Rothmeier, G.; Mandl, H. (1999).
[4] Vgl. Arnold, R.; Erpenbeck, J. (2014), S. 40.