Die Zukunft hat schon begonnen. Im Zuge der Entwicklung zu Enterprise 2.0 nutzen Unternehmen immer mehr soziale Software-Plattformen in der Kommunikation innerhalb der Organisation, aber auch mit Partnern und Kunden. Sie betreiben Social Business, indem sie Social Media und soziale Praktiken in ihre laufenden Aktivitäten integrieren. Bereits heute setzen vor allem große Unternehmen deshalb auch kompetenzorientierte Lernsysteme mit Blended Learning und Web 2.0 um. Gleichzeitig wächst eine Generation von Lernern heran, die tagtäglich eine breite Palette an Medien, insbesondere in digitaler Ausprägung, nutzen. Haushalte in Deutschland, in denen Jugendliche aufwachsen, weisen bei Computern, Mobiltelefonen und Internetzugang heute eine Vollausstattung aus. Vier von fünf Jugendlichen haben einen eigenen Computer oder Laptop. Dank WLAN im Haushalt können 87 Prozent vom eigenen Zimmer aus ins Internet gehen. Ein eigenes Mobiltelefon ist seit Jahren Standard, inzwischen besitzt aber fast jeder zweite Jugendliche ein Smartphone. 79 Prozent der 12- bis 19-Jährigen nutzen zumindest mehrmals pro Woche soziale Netzwerke, insbesondere Facebook. *
Die zunehmende Akzeptanz von Social Software in der Gesellschaft wirft für betriebliche Lernsysteme die Frage auf, wie künftige soziale Netze des Web 3.0, des Web 4.0.usw. Lernende Organisationen ermöglichen können, in denen sich die Kernkompetenzen der Organisation und die Kompetenzen der Mitarbeiter systematisch weiterentwickeln. In den kommenden zehn Jahren werden sogenannte „Human Computer“ in der Lage sein, Lernprozesse aktiv mit zu steuern und tutoriell zu begleiten.
Die Semantisierung der Netze ist dabei eine entscheidende, alle Aspekte künftigen Lernhandelns durchdringende Neuerung, die sich freilich auf uralte pädagogisch-didaktische Vorstellungen von Menschenbild und Menschenbildung berufen kann. Im Web 1.0 sind Computer hauptsächlich Datenverarbeiter, im Web 2.0 stellen sie vor allem die Verknüpfungspunkte menschlich – soziale Beziehungen dar. In den nachfolgenden Formen von Vernetzungen, die häufig mit Web 3.0, Web 4.0 und so weiter bezeichnet werden, werden Computer ein zunehmendes Gewicht als eigenständige Teilnehmer sozialer Netze erhalten. Sie werden zu sozialen Akteuren, mit Verstand und gefühlsartigem Handeln, mit Sachwissen und Bewertungen, die sie teils übernommen, teils aber auch selbstorganisiert und kreativ generiert haben. Die umfassende Bedeutung von Termini, Aussagen und Operatoren, die ganze Vielfalt der Sach- und Wertaspekte, die ganze „Bedeutung der Bedeutung“ kommt in den so entstehenden semantischen Netzen ins Kommunikationsspiel. Semantische Netze ermöglichen wert- und deutungsbezogene Kommunikation im Netz mit dem Human Computer, die menschenähnlich agieren können. Damit können sie in wenigen Jahren Aufgaben übernehmen, die heute noch von menschlichen Lernpartnern erfüllt werden. Das menschliche Co-Coaching im Lernprozess wird dadurch auf deutlich höhere Ebene gehoben, da Fachwissen, erste Analysen oder Recherchen durch den Lernpartner Computer übernommen werden.
Clouds und ihre Inhalte, in Ontologien erfasst, bilden dabei zukünftig den Ausgangspunkt der Kompetenzentwicklung im Netz. Damit einher geht ein immer umfassenderes Verständnis des uns umgebenden Seienden. Haben frühere Generationen von Computerexperten und E – Learning – Didaktikern bei Fragen nach dem Seienden, nach dem was unsere Ideen, Vorstellungen, Begriffe, Theorien „eigentlich“ darstellen, achselzuckend auf die Philosophie verwiesen, sind sie schon heute mit neu aufkeimenden ontologischen Fragen – nach dem Sein des Seienden – beschäftigt. Dass man in Clouds und mit Clouds hantiert, gehört inzwischen zum Lebens- und Lernalltag. Aber was sind eigentlich die in solchen Clouds enthaltenen „Gegenstände“? Was ist ihr Sein? Welchen Seinsgesetzen und Seinsveränderungen gehorchen sie? Wiederum uralte ontologische Fragen, vom neuen Lernen neu aufgeworfen und unabweisbar, denn es handelt sich genau um solche Seinswelten, mit denen unser Partner Computer umgehen kann und will.
Die Richtung der Reise der beruflichen Bildung ist deutlich, wir bewegen uns in Richtung der Kompetenzentwicklung in einer „schönen neuen Lernwelt“ mit „mitfühlenden“ Maschinen, Cloud Computing und semantischen Netzen. Wie diese Lernkonzeptionen aussehen werden, zeichnet sich in den Umrissen zwischenzeitlich relativ deutlich ab, die detaillierte Ausgestaltung und der der damit verbundene Kulturwandel werden die große Herausforderung der Zukunft sein. Davon wird auch abhängen, ob wir uns in eine Lernwelt bewegen, die nur von Zynikern als „schön“ empfunden werden kann. Ich empfehle dazu den bereits 1932 von Aldous Huxley geschriebenen Roman „Schöne neue Welt“. Oder nutzen wir die Chancen dieser innovativen Lernsysteme, die nur durch das Auffassungsvermögen der Menschen begrenzt werden, aktiv in einer Weise, die Lernen zunehmend bedarfsgerecht und spannend macht. Ich bin zuversichtlich, dass dies möglich ist.
* vgl. Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (2012): JIM Studie 2012