Workplace Learning, also Kompetenzentwicklung am Arbeitsplatz und in Arbeitsprozessen, gewinnt zunehmend an Bedeutung. Definiert man Work Place Learning in diesem Sinne, verändern sich nicht nur die Lernorte, sondern vor allem die Ziele und Inhalte, aber auch die Lernmethodik. Folgt man der Darstellung von Jane Hart http://www.c4lpt.co.uk/blog/2011/12/06/5-stages-of-workplace-learning-revisited/ , dann ist die Entwicklung zu diesem arbeitsplatznahen Lernen durch 5 Stufen geprägt:
Stufe 1: Classroom training
Stufe 2: E-Learning
Stufe 3: Blended Learning
Stufe 4: Social Learning
Stufe 5: Collaborative Learning
In unserem Projekt Bankausbildung mit der Rheinisch-Westfälischen Genossenschaftsakademie versuchen wir, diesen Veränderungsprozess von Anfang an bei den jungen Nachwuchskräften zu initiieren. Dabei „tasten“ wir uns in die einzelnen Ebenen des Workplace Learning vor, da sich alle Beteiligte, also auch die Trainer und Ausbilder, entsprechend verändern müssen:
Stufe 1: Seminare und Workshops dienten ursprünglich dazu, das notwendige Bankfach- und Produktwissen zu sichern. Dieses formelle, tendenzielle fremdgesteuerte Lernen wurde in der Stufe 2 in die Eigenverantwortung der Auszubildenden verlagert.
Stufe 2: E-Learning setzen wir nun ein, um die notwendige Wissensvermittlung in den selbstgesteuerten Lernprozessen der Auszubildenden mit Hilfe von Web Based Trainings zu ermöglichen. Dabei eigenen sie sich das Bankfach- und Produktwissen eigenverantwortlich an, überprüfen ihren Wissensstand und übertragen ihr Wissen mittels Transferaufgaben in ihre Ausbildungspraxis. Diese Stufe beinhaltet insbesondere auch den Aspekt der Prüfungsvorbereitung, da die Ergebnisse der Abschlussprüfung nach wie vor einen hohen, teilweise sogar zentralen, Stellenwert in der Beurteilung der Ausbildungsqualität geniest. Dieses Lernen wird nur ausnahmsweise am Arbeitsplatz stattfinden, weil dort im Regelfall nicht die notwendigen Voraussetzungen, wie angemessene Zeit, Ruhe oder Lernatmosphäre, für systematisches Lernen gegeben sind.
Stufe 3: Stufe 1 und Stufe 2 wurden zu einem Blended Learning Konzept verknüpft, das eine weitgehend selbstgesteuerte Qualifizierung der Auszubildenden ermöglicht. In den zeitmäßig reduzierten Präsenzveranstaltungen wird das soziale Netz in den Ausbildungsgruppen gefördert. Die Auszubildenden reflektieren über ihre Lernerfahrungen, bringen ihre offenen Fragen („Themenspeicher“) sowie gemeinsam entwickelte Lösungen zu aktuellen, komplexen Aufgaben ein, diskutieren aktuelle Fragen und trainieren für die Beratungspraxis, z.B. in Vertriebstrainings. Dieses praxisbezogene Training wurde jetzt möglich, obwohl die Gesamtzahl der Seminartage reduziert wurde, weil wir durch Blended Learning bis zu 2/3 der Präsenzzeiten für die Qualifizierung einsparen konnten. Weiterhin haben diese Treffen die fundamentale Funktion, verbindliche Vereinbarungen für die nächste Selbstlernphase zu treffen. Damit wird in dieser Stufe das formelle Lernen der Auszubildenden optimiert.
Stufe 4: Wir erweiterten das Blended Learning Konzept um Social Learning. Dieses Lernen umfasst nach unserem Verständnis ein breites Spektrum, vom gezielten Erlernen sozialen Handelns, z.B. in Rollenspielen oder in Praxisanwendungen, über kooperatives Lernen in der Learning Community mit Blogs, Wikis oder in virtuellen Klassenräumen. Gleichzeitig ist „Soziales Lernen“ die Basis selbstgesteuerter Lernprozesse. Hierbei setzen wir konsequent auf das Tandemprinzip, da Lernpartner die Wahrscheinlichkeit erheblich steigern, diese Lernprozesse erfolgreich zu Ende zu führen.
Stufe 5: Kompetenzentwicklung am Arbeitsplatz und in Arbeitsprozessen wird nunmehr im Rahmen von Transferaufgaben und realen Praxisprojekten systematisch ermöglicht. Dabei werden langfristige, meist informelle Lernprozesse aller Auszubildenden einer Gruppe initiiert, indem Erfahrungswissen der Auszubildenden für die gesamte Ausbildungsgruppe, z.B. über Projekt- und Ausbildungstagebücher nutzbar gemacht wird. Hierbei kommt den sozialen Medien eine besondere Bedeutung zu. Die Lernziele werden von den Auszubildenden in Abstimmung mit ihren Ausbildern weitgehend selbst festgelegt. Die Lernergebnisse haben dabei immer eine direkten Bezug zur persönlichen Arbeitswelt der Auszubildenden Diese Lernprozesse finden somit in kollaborativer Form im Rahmen von selbst organisierten Communities of Practice statt. Damit werden Lernziele und Lernkonzepte möglich, die im „klassischen“ Lernkontext nicht erreichbar sind. Dazu gehören insbesondere Ziele im Bereich der Aktivitäts- und Handlungskompetenz, aber auch der persönlichen der sozial-kommunikativen und der fachlich-methodischen Kompetenzen.
Diese Entwicklung zum Workplace Learning erfordert einen langfristigen Veränderungsprozess, da alle Beteiligten ihre Denk- und Handlungsweisen schrittweise verändern müssen. Wir versuchen, eine Kombination der Stufen 3 bis 5 zu realisieren und zu einem kulturgerechten Gesamtkonzept zu verknüpfen. Deshalb wird er in den verschiedenen Banken mit unterschiedlicher Geschwindigkeit stattfinden. Unser Ziel ist dabei, sukzessive den Anteil der Kompetenzentwicklung zu steigern und die Ausbildung damit immer mehr bedarfsgerecht zu gestalten.
Monika Lohmann, Leiterin der Ausbildung der Rheinisch-Westfälischen Genossenschaftsakademie, und ich stellen dieses Konzept am 15. Februar auf der Didacta in Hannover vor. Wir würden uns freuen, wenn wir diesen Ansatz dort mit Ihnen diskutieren könnten.
Ihr Werner Sauter