Ziel Kompetenzorientierung – welche Konsequenzen ergeben sich daraus?

„Wie bereiten wir Menschen auf Jobs vor, die gegenwärtig noch gar nicht existieren, auf die Nutzung von Technologien, die noch gar nicht entwickelt sind, um Probleme zu lösen, von denen wir heute noch nicht wissen, dass sie entstehen werden?“

Youtube „Shift happens“ (2014)

Stellt man die Forderung auf, die betrieblichen Lernsysteme kompetenzorientiert zu gestalten, findet man meist breite Zustimmung. So bald es aber darum geht, die Konsequenzen für die betriebliche Bildung zu definieren, erlebt man häufig Erstaunliches.

So hatte beispielsweise die renommierte Unternehmensberatung Roland Berger in ihrer Studie „Corporate Learning im Umbruch“[1] die Notwendigkeit der Kompetenzorientierung schlüssig hergeleitet, um dann als Konsequenz aber zu empfehlen, … „Wissen und Fähigkeiten zu vermitteln“. Es ist schon verwunderlich, dass bei diesen Beratungsprofis noch nicht angekommen ist, dass tradiertes Vorratslernen keine Lösung für die Herausforderungen in der digitalen Zukunft sein kann.

Am Anfang der Veränderungsprozesse zur Kompetenzorientierung steht vielmehr zwingend ein Paradigmenwechsel. Da Kompetenzen nur durch die Lerner selbstorganisiert aufgebaut werden können, indem sie herausfordernde Aufgaben aus der Praxis oder Praxisprojekten lösen, sind sie selbst für ihren Lernerfolg verantwortlich. Personalentwicklung hat heute aber noch überwiegend mit Laufbahnkonzepten und Seminarplanung zu tun. Der Bildungsbereich muss sich von einer zentralistisch organisierten Personalentwicklung, die vorgibt, individuelle Lernprozesse über Seminare und E-Learning bedarfsgerecht zu gestalten, zu einem Kompetenzmanagement wandeln, das einen Ermöglichungsrahmen für selbstorganisierte Lernprozesse im Prozess der Arbeit und im Netz ermöglicht. Die Führungskräfte übernehmen dabei die Rolle eines „Entwicklungspartner“ ihrer Mitarbeiter, der als Mentor oder Coach deren Kompetenzentwicklung ermöglicht.

Die betriebliche Bildung benötigt ein grundlegend verändertes Geschäftsmodell, das Führungsmodell stellt die Ermöglichung der selbstorganisierte Kompetenzentwicklung der Mitarbeiter in den Mittelpunkt.

Wir erleben häufig, dass die Diskussion über die Konsequenzen der Digitalisierung für die betriebliche Bildung stark technologiegetrieben ist. Oftmals konzentriert sie sich auf die Auswahl der geeigneten Lern-Infrastruktur oder die Zusammenstellung der sozialen Medien bzw. Tools.

Diese Vorgehensweise halten wir für gefährlich, weil eine bedarfsgerechte Gestaltung der Rahmenbedingungen für die Kompetenzentwicklung voraussetzt, dass es einen Konsens über die angestrebten Ziele gibt. Zwar gibt es vor allem in der größeren, aber auch in mittleren und sogar kleineren Unternehmen, zunehmend Kompetenzmodelle.[2] Auffallend ist jedoch, dass die Kompetenzmessungen nicht handlungsbezogen sondern überwiegend pauschal durch die Führungskräfte erfolgen und der Aspekt der Kompetenzentwicklung in den meisten Kompetenzmodellen nur gestreift wird. So wird z.B. darauf hingewiesen, dass sich die „Weiterbildungsmaßnahmen“ an den Kompetenzmodellen „orientieren“ würden, ohne dass dies konkretisiert wird. Dagegen zielt strategieorientiertes Kompetenzmanagement darauf ab, die Entwicklung der Handlungskompetenz der einzelnen Mitarbeiter im Hinblick auf ihre Herausforderungen im Arbeitsprozess zu ermöglichen, um die Performanz der Unternehmung zu erhöhen.

Bedarfsgerechte Kompetenzmodelle sind Anforderungskataloge an die Mitarbeiter auf der Handlungsebene, in welchen die Kompetenzen zur Leistungserbringung und Problemlösung messbar und für jeden verständlich dokumentiert sind. Dabei bieten die Beobachtungs- und Beurteilungsmerkmale und die Ausprägungshöhe der Kompetenzen eine eindeutige und differenzierte Betrachtungsmöglichkeit. Ziel ist es, das gesamte Kompetenzkapital zu nutzen und zu steigern, das im Unternehmen durch die Mitarbeiter repräsentiert wird.

Auf der Ebene der strategischen Umsetzung der Kompetenzorientierung sind vielfältige Fragen zu klären:

  • Welche Ziele leiten sich aus der Unternehmensstrategie für das Corporate Learning ab?
  • Welche Konsequenzen hat der gemeinsame, aktuelle Werterahmen für das Kompetenzlernen der Mitarbeiter und Führungskräfte?
  • Wie soll das Kompetenzmanagement zukünftig im Unternehmen grundsätzlich gestaltet sein?
  • An welchem Kompetenzmodell soll sich die betriebliche Bildungsarbeit orientieren? Wie werden Kompetenzen gemessen?
  • Wie soll der Prozess zur Entwicklung der Kompetenzprofile, die zukünftig die Leitlinie der individuellen Lernprozesse bilden, gestaltet werden?
  • Wie sollen die Entwicklungsgespräche und der Prozess zur Herleitung und zur Definition der individuellen Qualifikations- und Kompetenzziele ablaufen?
  • Welche relevanten Themen bzw. Projekte und Herausforderungen in der Praxis sind grundsätzlich zu bearbeiten bzw. zu lösen, um Kompetenzentwicklung zu ermöglichen?
  • Wie soll der gemeinsame Ermöglichungsrahmen grundsätzlich gestaltet werden, der die zukünftige selbstorganisierte Kompetenzentwicklung im Unternehmen ermöglicht?
  • Welche Lernformen und – orte werden zukünftig im Vordergrund stehen?
  • Welche Sozialformen – vom Einzellernen bis zum kollaborativen Arbeiten und Lernen im Netz – werden ermöglicht?
  • Welche Medien werden für die Information, den Wissensaufbau, die Qualifikation und die Kompetenzentwicklung im Netz genutzt?
  • Welche Anforderungen sollte die Lern-Infrastruktur (Soziale Lernplattform) erfüllen?
  • Wie verändern sich die Rollen der Beteiligten?
  • Welche Prozesse sind im Unternehmen erforderlich, um den Transfer des neuen Lernsystems ins Unternehmen und die Entwicklung der Rollen aller Beteiligten zu initiieren und zu ermöglichen?
  • Wie wird der neue Lernansatz im Unternehmen kommuniziert?
  • Welche möglichen Widerstände sind zu überwinden?
  • Welche personellen und finanziellen Ressourcen ist das Unternehmen bereit zu investieren?
  • Welche Kompetenzen müssen im Bereich der Personalentwicklung bzw. des Kompetenzmanagements und der Führungskräfte aufgebaut werden, um diese Kompetenz-Lernprozesse zu ermöglichen und zu begleiten?
  • Welche Anwendungsfelder und Pilotprojekte sind besonders geeignet?
  • Wie kann der Lernerfolg bewertet werden?
  • Wie sieht das Evaluierungskonzept aus?

Die hohe Komplexität des Implementierungs- und Veränderungsprozesses stellt hohe Anforderungen an deren Gestaltung. Die Kompetenzentwicklung der Learning Professionals und der Führungskräfte bildet dabei den Schlüssel zur erfolgreichen, unternehmensweiten Implementierung.

Um mögliche Widerstände der zukünftigen Lernbegleiter so weit wie möglich auszuräumen bzw. Akzeptanz zu generieren, sehen wir folgende  erfolgsversprechende Eckpfeiler als relevant an.

Akzeptanz durch

  • Kommunikation, insbesondere auch im Netz, von Anfang an mit allen Beteiligten,
  • Einbindung des Lernens in das Führungssystems; die Führungskräfte entwickeln sich zu Entwicklungspartnern ihrer Mitarbeiter,
  • eigene Erfahrungen der Mitarbeiter in innovativen Lernarrangements ermöglichen, die ihnen einen spürbaren Nutzen bringen,
  • ein laufend optimierter Ermöglichungsrahmen, der effizientes Lernen ermöglicht,
  • optimierte Lernbegleitung durch kompetente Learning Professionals.

Kompetenzentwicklung im Unternehmen ist möglich, aber nur im Sinne einer „Ermöglichungsdidaktik“, die den Mitarbeitern und Führungskräften ein Lernsystem bietet, in dem sie ihre Kompetenzen selbstorganisiert im Rahmen realer Herausforderungen in der Praxis entwickeln können. Notwendige Voraussetzung für eine strategieorientierte Kompetenzentwicklung ist die Akzeptanz bei den Mitarbeitern und Führungskräften als kompetenter Entwicklungspartner. Diese Vertrauensbasis kann allerdings nur in einem längerfristigen Veränderungsprozess schrittweise aufgebaut werden. Da die Kompetenzentwicklung aller Mitarbeiter die notwendige Voraussetzung für den unternehmerischen Erfolg im digitalisierten Kompetenzwettbewerb  ist, müssen diese Veränderungsprozesse jetzt initiiert werden.

[1] Roland Berger (2014): Unternehmen lernen online. Corporate Learning im Umbruch, München , abgerufen unter Roland_Berger_TAB_Corporate_Learning_D_20140602

[2] Erpenbeck, J., v. Rosenstiel, L. & Grote, S. (2013). Kompetenzmodelle von Unternehmen. Mit praktischen Hinweisen für ein erfolgreiches Management von Kompetenzen, Stuttgart

 

 

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