Laut einer Studie des Bitkom (http://www.bitkom.org/files/documents/BITKOM_Publikation_Netzgesellschaft.pdf) hat sich das Internet als Bildungsmedium in Beruf und Freizeit fest etabliert. Fast zwei Drittel (63 Prozent) der Internetnutzer geben danach an, dass sie mit Hilfe des Internets ihre Allgemeinbildung verbessern konnten. Mehr als die Hälfte (54 Prozent) der Befragten hat sich bereits online beruflich fortgebildet. So nutzen nach dieser Studie die 14- bis 29-Jährigen mit einem Anteil von 70 Prozent das Internet überdurchschnittlich häufig zur Verbesserung ihrer Allgemeinbildung. Unter den 30- bis 49-Jährigen steht dagegen die berufliche Weiterbildung im Vordergrund. Laut dieser Umfrage haben in dieser Altersgruppe 65 Prozent der Befragten ihre beruflichen Kenntnisse online verbessert. Damit etabliert sich E-Learning als Lernelement zunehmend in der betrieblichen Bildung, aber auch im privaten Bereich.
Häufig wird das Bild der Net Generation gezeichnet, wenn die Konsequenzen der veränderten Mediennutzung für Lernsysteme bewertet werden. Die Meinung, dass sich die Lerner in „digital natives“, die mit Neuen Medien aufgewachsen sind und „digital immigrants“, die den Umgang mit dieser neuen Umgebung wie eine Fremdsprache lernen müssen, aufteilen, trifft nach den uns bekannten Untersuchungen nicht zu.
Nach einer weiteren Studie des bitkom zur Schule 2.0 (http://www.bitkom.org/de/publikationen/38338_68812.aspx) ist zwar die Akzeptanz für digitale Medien und deren Einsatz im Unterricht ist unter Lehrkräften sehr hoch. Gleichwohl fällt die Nutzung in der Praxis noch wesentlich niedriger aus. Die elektronischen Medien werden meist nur für einfache Aufgaben eingesetzt. Die technische Ausstattung an den Schulen hinkt hinterher. Vielen Lehrern fehlt es außerdem an Know-how. Nur die Hälfte der befragten Lehrer hat in den letzten drei Jahren an einer IT-Weiterbildung teilgenommen. Das Ende der Kreidezeit in Schulen ist mit Blick auf die Umfrageergebnisse noch lange nicht in Sicht. Deshalb können wir in der betrieblichen Bildung nicht davon ausgehen, in der jungen Lernergeneration bereits umfangreiche Erfahrungen mit selbstgesteuerten, innovativen Lernprozessen vorzufinden.
Nach unseren Erfahrungen ist für die Planung von Lernsystemen nicht die Frage einer, meist relativ willkürlichen, Zuordnung zu einer „Generation“ wichtig. Vielmehr sehen wir die konkrete Mediennutzung einer Zielgruppe, insbesondere im digitalen Bereich, als relevant an. Deshalb ist jeweils zu klären, in wie weit in der Zielgruppe Merkmale vorliegen, die die sogenannte „Net Generation“ beschreiben sollen: Dokumente werden, wenn möglich, am PC erfasst, Telefonnummern, Termine oder Aufgaben werden nur noch digital, z.B. über Outlook, verwaltet, offene Fragen werden über Google und andere Suchmaschinen geklärt, man tauscht Informationen, Fotos oder Erfahrungen über Netzwerke aus, man kauft und verkauft über eBay oder man ist immer online, per Internet oder Mobiltelefon erreichbar.
Liegen diese Merkmale weitgehend vor, kann erfahrungsgemäß auch bei älteren Lernern von einer hohen Akzeptanz, z.B. für Blended Learning Ansätze, ausgegangen werden. Entscheidend dafür ist nicht das Alter, sondern das Bewusstsein, dass der Lernprozess einen direkten Nutzen für die Problemlösungen am Arbeitsplatz hat. Damit kommt man sehr rasch wieder zum Thema der Kompetenzen, die deutlich über Wissensvermittlung und Qualifizierung hinausgehen. Zielgruppen, die das skizzierte Medienverhalten aufweisen, haben jedoch veränderte Anforderungen an die Lernsysteme. Sie sehen Lernen immer mehr als einen kontinuierlichen, lebenslangen Prozess, der in alltägliche Arbeits- und sogar Freizeitaktivitäten eindringt und sowohl den Einzelnen als auch die Organisation und deren Verbindungen untereinander beeinflusst. Es entstehen "Communities of Practice", d.h. selbstorganisierte Gemeinschaften zum Austausch von Erfahrungswissen, persönliche Netzwerke und kollaborative Arbeitsszenarien. Der laufende Austausch innerhalb eines Netzwerkes gewinnt an Bedeutung, aber auch induktives Lernen, Lernen mit Versuch und Irrtum und die Bereitschaft, Risiken einzugehen, nehmen zu.
Vor allem für ältere Mitarbeiter kann der Wechsel in innovative Lernsysteme zunächst ein Kulturschock sein. Die Lernkultur ist dabei eine Teilmenge der Unternehmenskultur, die maßgeblichen Einfluss auf das Lernen hat. In einer Unternehmenskultur, die z.B. durch starke Hierarchisierung und geringe Eigenverantwortung der Mitarbeiter geprägt ist, kann eine Lernkultur, die durch die Selbstverantwortung und Aktivität der Lerner geprägt ist, nur langsam umgesetzt werden. Die Kultur der Lernwelt kann die gewünschte Unternehmenskultur aber vorwegnehmen und damit aktiv Einfluss auf sie nehmen. Damit wird die Gestaltung der Lernkultur ein wesentliches Richtziel des Personalentwicklungssystems.
Vor allem ältere Mitarbeiter sind im Regelfall formelle Lernprozesse, vielfach noch mit einer traditionellen Methodik, gewohnt. Deshalb ist damit zu rechnen, dass Widerstände und Ängste zu überwinden sind. Die Unternehmen benötigen deshalb behutsame Veränderungsprozesse aller Beteiligten. Diese neuen Lernprozesse sind jeweils mit der Führungs- und Personalentwicklungskonzeption abzustimmen. Es geht also nicht um die Frage, ob ältere Lerner für E-Learning oder Blended Learning in Frage kommen. Vielmehr geht es um das zielgruppengerechte Arrangement der Lernsysteme, die den Bedürfnissen dieser Lerner gerecht wird. Diers gilt aber für alle Altersgruppen.
Ihr
Werner Sauter